Frischluftschneise für die Schulen

■ Bildungssenator will Lehrerarbeit flexibilisieren: Weg von der Dreiviertelstunde

Frischluft für die Bremer Schulen: Der Bildungssenator will einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitszeitregelung der Bremer LehrerInnen erreichen. Das hat gestern Bildungsstaatsrat Reinhard Hoffmann angekündigt. Die Behörde hat jetzt den Lehrerverbänden und -gewerkschaften ein Gesprächsangebot über das Thema gemacht. Der Kern der Vorstellungen: Weg von der Fixierung auf die klassische Dreiviertel-Unterrichtsstunde, die Lehrerarbeitszeit soll sich wie bei jedem anderen Bediensteten im Öffentlichen Dienst an der 38,5-Stunden-Regelung orientieren. Dort sollen dann sämtliche Tätigkeiten außerhalb des puren Unterrichts eingerechnet werden. Nach dieser Berechnung soll für die Schulen ein Stundenbudget festgelegt werden, das mit dem vorhandenen Lehrerstamm abgedeckt werden soll. Danach soll jede Schule autonom entscheiden, wie sie ihre LehrerInnen einsetzt. Bis zum nächsten Sommer will der Bildungssenator so weit sein, daß das neue Modell an den ersten Schulen erprobt werden kann. Die Behörde will versuchen, mit dem neuen Modell durch größere Flexibilität den gewachsenen Ansprüchen an die Schule gerecht zu werden – und gleichzeitig Mittel zu sparen. Füe Neueinstellungen ist in Bremen ohnehin kein Geld da.

„Wir haben noch gar keine genauen Vorstellungen“, wehrt Reinhard Hoffmann alle Fragen nach der Behördenposition ab. Das Bildungsressort will ohne große Vorgaben in die Gespräche gehen, außer: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Hoffmann: „Es ist absurd, was sich in den Schulen abspielt. Die ganze Schulorganisation ist um den 45-Minuten-Takt gebaut. Das ist völlig veraltet.“ Das soll sich nun ändern, und der Hebel dafür ist die Berechnung der Lehrerarbeitszeit. Die wird nämlich seit Jahr und Tag allein nach der Meßzahl Unterrichtsstunde festgelegt. Je nach Bundesland und Schulform schwanken die Unterrichtsstunden pro Woche zwischen 23 und 28. Wie hoch die Arbeitsbelastung außerdem ist, daran haben sich über Jahrzehnte die renomiertesten ArbeitszeitforscherInnen versucht. Das Resultat: „Ein Buch mit sieben Siegeln“, sagt Hoffmann. Das Modell hat sich zäh gehalten. „Dabei entspricht das schon lange nicht mehr der schulischen Realität.“ Zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, zu den Korrekturen kommt mittlerweile zunehmend Sozialarbeit. Wie sich das in Stunden und Minuten niederschlägt, das soll nun zwischen Behörde und Verbänden diskutiert werden.

Diese Debatte birgt einige Sprengsätze. Die Arbeitsbelastung müßte nicht nur zwischen Schulstufen differenziert werden, sondern außerdem noch zwischen einzelnen Fächern. Dann könnte sich herausstellen, daß Lehrer, die korrekturintensive Fächer unterrichten in ihrer Unterrichtszeit eher entlastet werden müssen, während ihre KollegInnen in korrekturarmen Fächern sich auf andere schulische Tätigkeiten neben ihrem Unterricht vorbereiten dürfen. Ohne große Prophetie: Das wird ziemliche Unruhe in der Lehrerschaft verursachen.

Diesen Streit will die Behörde allerdings vor Ort entscheiden lassen: In der Schule selbst. Hoffmann: „Das läßt sich nicht alles zentral regeln.“ Auf der senatoriellen Ebene soll nur ein Rahmen abgesteckt werden. In die Schulautonomie fällt dann auch die Unterrichtszeit. Weg vom 45-Minuten-Takt soll es nicht nur für die Arbeitszeitberechnung heißen, sondern auch für die SchülerInnen. Hoffmann: „Die Schulen sollen dann entscheiden, ob der Englischunterricht für die achte Klasse lieber wie bisher oder zum Beispiel als Blockunterricht abgehalten werden soll.“

Im September will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einen Kongreß zur Lehrerarbeitszeit veranstalten. Schon seit einiger Zeit wird das ein Thema in den Gewerkschaftszeitungen diskutiert, von daher erwartet der Bildungssenator trotz der kniffeligen Problematik eine gewisse Offenheit. Einen festen Verbündeten gibt es schon: Bevor die Bildungsbehörde mit ihren Ideen an die Öffentlichkeit gegangen ist, hat sie sich vorsorglich mit dem entscheidenden bremischen Ressort rückgekoppelt. Und das ist immer noch der Finanzsenator. J.G.