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: Medienkunde

Als Edison 1877 den Phonographen erfunden hatte, wollte er ihn als Diktiergerät für Geschäftsleute und als Anrufbeantworter vermarkten. Doch niemand kaufte das Gerät. Edison blieb auf seiner Erfindung sitzen. Dann bestückte eine clevere Vertriebsfirma den Phonographen mit Musikaufnahmen und stellte ihn auf dem Jahrmarkt aus. Edison protestierte, doch die Idee war ein riesiger kommerzieller Erfolg: Die Jukebox war geboren, und bald darauf trat der populär gewordene Apparat als Grammophon seinen Siegeszug um die Welt an.

Die „Geschichte der modernen Kommunikation“ will Patrick Flichy in seinem Buch „Tele“ erzählen, und diese Geschichte besteht aus Geschichten wie der von Edisons mißbrauchtem Phonographen. Und so ist Flichys Werk ein Geschichtsbuch im besten Sinne geworden: Statt dröger Medienhistorie liefert der Pariser Kommunikationsforscher eine lebendige und anekdotenreiche Schilderung der Entwicklung moderner Massenkommunikationsmittel. Besonders ausführlich beschreibt Flichy die Auswirkungen der neuen Technologien auf Gesellschaft, Beruf und Privatleben. Dieses Buch ist schon jetzt ein Klassiker!

Interessant ist unter anderem, daß schon im 19. Jahrhundert medienpolitische Debatten geführt wurden, die stark an die gegenwärtige Diskussion erinnern: So wie heute in den USA über die Architektur der vielzitierten „data highways“ gestritten wird, debattierte man zum Beispiel in England vor gut 100 Jahren darüber, ob das Telegraphennetz vom Staat oder von privaten Unternehmern aufgebaut werden sollte. Tilman Baumgärtel

Patrice Flichy: „Tele. Geschichte der modernen Kommunikation“. Campus Verlag, Frankfurt a.M./New York 1994, 302 Seiten, 68 Mark.