Nächtlicher Astro-Spaß

Sightseeing im Raumschiff und die Jupiterrasur durch Shoemaker-Levy 9 – Mit den „Space Nights“ auf Bayern 3 in die TV-Kontemplation  ■ Von Harald Keller

Fernsehversessene Spätheimkehrer, Nachtschwärmer und die frühesten der Frühaufsteher brauchen sich schon lange nicht mehr mit faden Testbildern zu begnügen. Die privaten Sender wiederholen Sendungen aus dem Tagesprogramm, vereinzelt gibt es Nachrichten per Videotext oder interaktive Telespiele. Erstaunlich großer Beliebtheit aber erfreuen sich die ereignisarmen Programme: der Blick aufs Aquarium (frei nach Nam June Paik), die S-Bahn- Fahrt, die von Meeresrauschen untermalten gemächlichen Schwenks über sonnige Strände und exotische Inseln. Seit dem 1. Juni bietet auch das dritte Programm des Bayerischen Rundfunks ein 24-Stunden-Programm und erreicht mit seinen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (Dara) produzierten „Space Nights“ bis zu 40 Prozent der nächtens eingeschalteten Fernseher.

Sieben verschiedene Programme stehen bislang zur Verfügung, jedes dauert knapp zwei Stunden und wird pro Nacht mehrfach wiederholt. Der Montag gehört der deutsch-russischen Weltraummission MIR '92. Dienstags gibt es Wissenswertes über das Spaceshuttle der NASA. Die Mittwochnacht bietet Astro-Spaß mit der Forschungsplattform Astro- Spas. Jeden Donnerstag stehen „Höhepunkte der europäischen Raumfahrt“ auf dem Nachtprogramm, am Freitag bitten die bayrischen Space-Cowboys zur „Sightseeing-Tour im Raumschiff um die Welt“. Die deutschen Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter erläutern tags drauf vom Spacelab aus die Ziele der Weltraummission D2. Sonntags begleiten die ZuschauerInnen fliegende NASA-Klempner bei der Reparatur am Weltraumteleskop Hubble und verfolgen die Jagd nach dem defekten Satelliten Intelsat.

Bei Bedarf werden die standardisierten Abläufe aus aktuellem Anlaß geändert, zum Beispiel am Jahrestag der Mondlandung oder im Vorfeld der spektakulären Jupiterrasur durch den Schweifträger Shoemaker-Levy 9. Künftig sollen die Programme alle drei Monate, spätestens aber jedes halbe Jahr komplett erneuert werden. Zur Zeit arbeiten drei Redakteure an neuen Filmen. Das Material stammt größtenteils von der NASA, aber auch Österreich und Rußland kommen als Zulieferer in Betracht.

Laut Andreas Bönte vom Bayerischen Rundfunk beabsichtigt man mit der Reihe eine der Sendezeit angemessene ausgewogene Mischung aus Unterhaltung und Information. Größtenteils ist den Bildern atmosphärische Musik unterlegt, kommentierende Texte werden dezent eingeblendet. In naher Zukunft sollen darüber hinaus weiterführende Informationen per Videotext zugänglich sein. „Wer Informationen sehen will“, so Bönte, „kann das machen. Aber der entspannende Charakter soll erhalten bleiben. Das ist das, was wir wollen.“

Gerade die kontemplativen Bilder, Aufnahmen der Erde aus 300 Kilometer Höhe beispielsweise, machen die Reihe besonders attraktiv. Von geschwätzigen Wortbeiträgen ungetrübt, verfügen die stimmungsvollen Impressionen aus dem Orbit über nachgerade psychedelische Qualitäten – und korrespondieren teils hervorragend mit Trance- und Ambient- Klängen privater Space-Parties...