■ Sommer auf Island
: Die Geheimnisse der Ostfjorde

Vierte Lieferung unseres Urlaubskorrespondenten

Schon immer haben mich Landkarten fasziniert. An bizarr geformten Buchten und Haffs, an seltsam gelegenen Orten und abstrus gezogenen Staatsgrenzen konnte ich mich nie sattsehen. Oft fuhr ich in die pendelförmige Berliner Enklave Steinstücken und saß dort stundenlang im „Taubenschlag“ bei Kaffee und Kuchen. Um den patentgefalteten Falk-Plan „Reykjavik & Island“ zu bekommen, mußte ich in Schöneberg immerhin drei Geschäfte aufsuchen.

Vom ostisländischen Borgarfjördur eystri geht es auf der Straße Nr.1 weiter in die Ostfjorde. Ich bin schon sehr gespannt, zu sehen, wie sich die beiden, etwa 30 Kilometer voneinander entfernten Breiddalviks voneinander unterscheiden, die ich auf der Karte entdeckt habe. Mein Kapitel möchte ich deshalb wie folgt nennen: Der Falk-Plan: Die Geheimnisse der Ostfjorde.

Die erste Busstation, die Gemeinde Reydafjördur, hat sich laut Ortsschild in den Ortsnamen ein „r“ dazugeholt und nennt sich jetzt Reydarfjördur. Ich werde die Bürgermeisterin anschreiben und darum bitten, mir diese kleine, aber vielleicht nicht unbedeutende Veränderung des Ortsnamens zu erklären.

Der Bus stoppt in Stödvarfjördur. Diese kleine Stadt scheint sich umbenannt zu haben. Der neue Name auf dem Ortsschild lautet Faskrudsfjördur. Die Pause nutze ich, um eine Anfrage an die Gemeindeverwaltung zu richten: „Sehr geehrte Damen und Herren, bei meiner Rundreise durch Island kam ich heute nach Stödvarfjördur und entdeckte durch das Ortsschild am Ortseingang, daß sich Ihre Gemeinde in Faskrudsfjördur umbenannt hat. Sicher wissen Sie, daß Karl-Marx-Stadt vor einigen Jahren wieder in Chemnitz und Leningrad in St. Petersburg umgetauft wurde. Da ich recht viel mit Sprache arbeite, würde mich nun sehr interessieren, aus welchem Grund die Umbenennung Ihrer Gemeinde geschah, wann das geschah und was die Namen bedeuten. Gab es anläßlich dieser Ereignisse irgendwelche Festivitäten, Veranstaltungen etc.?

Für Ihre Mühe bedanke ich mich im voraus. Mit freundlichen Grüßen, Wolfang Müller“

Der nächste Ort auf dem Falk- Plan ist Breiddalsvik, natürlich der nördlich gelegene der beiden gleichnamigen Orte. Überraschenderweise hat sich auch diese Gemeinde einen neuen Namen zugelegt: Stödvarfjördur heißt sie jetzt. Klar, daß ich die Anfrage bei der Gemeindeverwaltung einreiche. Diese Umbenennung ist deshalb auch besonders interessant, da sich ja das nördlich gelegene Stödvarfjördur in Faskrudsfjördur umbenannt hat und sich nun Breiddalsvik scheinbar den Namen unter den Nagel reißen konnte.

Vielleicht wartet in Deutschland auch irgendwo ein Ort darauf, daß sich die Nachbargemeinde umbenennt, um sich dann deren alten Namen zuzulegen. Helgoland heißt dann Hamburg, und Berlin heißt Treuenbrietzen.

Natürlich bin ich ein bißchen enttäuscht, als ich in Breiddalsvik, sagen wir besser: „Breiddalsvik II, Süd“ ankomme und erfahren muß, daß es nur noch eines davon gibt. Vielleicht hätte man, sagen wir mal 30 Kilometer weiter südlich, da, wo im Falk-Plan das Streitishvarf liegt, eins hinbauen können, um wieder zwei davon zu haben. Auch diese Gemeinde habe ich angeschrieben, um zu erfahren, wie es zu den zwei, dicht an dicht liegenden Breiddalsviks kam, wann sie aufgelöst, eingemeindet bzw. umbenannt wurden.

Ein bißchen irritiert bin ich, als ich dem hübschen Kellner auf der Raststätte in Breiddalsvik, welches sich jetzt wieder Stödvarfjördur nennt, den Falk-Plan zeige und er süß lächelnd „Fabjanalegur!“ sagt. Das heißt nämlich „Blödsinn“. Nun, wie auch immer, die Briefe an die Verwaltungen sind unterwegs, und ich werde dem geneigten Leser bzw. Leserin über die Antworten aus den kleinen Gemeinden der geheimnisvollen Ostfjorde Bericht erstatten. Wolfang Müller

(Fortsetzung folgt)