Kunstsaat in Niederbayern

■ Land-art nach aztekischem Vorbild: Maria Buchners Senffeldzeichnungen

14 Tage im Juli bot ein Feld bei Alburg in Niederbayern den wenigen Sportfliegern, die es zufällig überflogen, ein irritierendes Bild. Mitten in der durchrationalisierten Agrarlandschaft mit ihren Zuckerrüben- und Getreidefeldern erblickten die Piloten ein 180 mal 90 Meter großes knallgelb blühendes Senffeld mit einer Zeichnung aus blau blühendem Lein: Eine Treppe zu einer Tür, die, einen schmalen Spalt weit geöffnet, in die Erde führt. Die 150 Meter lange Feld-Zeichnung stammt von der niederbayerischen Bildhauerin und Land-art-Künstlerin Maria Buchner, die sich seit einigen Jahren mit ihren originellen und eigenwilligen Skulpturen, Aktionen und Objekten in der Kunstszene durchschlägt.

Nicht jeder und jedem mögen sich Buchners Objekte gleich erschließen. Schon deshalb nicht, weil sie gar nicht darauf angelegt sind, daß jedermann in den direkten Genuß ihrer Arbeiten kommt. Ihre Feldzeichnung im Donaumoos war gut und richtig nur aus einem Flugzeug in etwa dreihundert Meter Höhe zu sehen. Deshalb hat sie die Zeichnung fotografiert. Und sie berichtet, daß beim Flug über das Feld die Türe ein wenig in Bewegung gerät – das heißt: Der Spalt scheint sich etwas weiter zu öffnen und schließt dann wieder.

Vor über 1.000 Jahren haben Angehörige der Nazcakultur an der südperuanischen Küste auf einem 500 Quadratkilometer großen Hochplateau eine Reihe von Scharrbildern – Linien und Figuren – geschaffen, die bis heute zu den faszinierendsten archäologischen Stätten Amerikas gehören. In der trockenen windstillen Gegend bei Nazca sind diese Zeichnungen durch die Jahrtausende erhalten geblieben. Maria Buchners gesäte Kunst aber ist nach wenigen Wochen verblüht. Dennoch gibt es Berührungspunkte und Parallelen: Lein und Senf sind uralte Kulturpflanzen (die heute in der Landwirtschaft Niederbayerns jedoch keine Rolle mehr spielen). Als Maria Buchner im Mai mit Stöcken und Preßbändern ihre Zeichnung zur Aussaat auf dem Feld vorbereitete, meinten viele, es handele sich um eine archäologische Arbeit. Und schließlich: Das Geheimnisvolle und Aufregende der Nazca-Bilder ist – wie bei Buchners Zeichnung – die Tatsache, daß man sie nur aus einer hohen Vogel- oder Flugzeugperspektive richtig wahrnimmt – auch wenn es freilich zur Zeit der Nazcas keine Flugzeuge gab.

„Die Skulptur Maria Buchners entwächst einer Bewußtheit und kehrt im Prozeß des denkenden Sehens wieder in sie ein. Sie geht im ephemeren Zustand der Subversivität auf, in den sie uns versetzt...“, heißt es in einer Eloge auf die Künstlerin im Katalog zum Otto-Dix-Förderpreis 1994, in dem auch einige andere ihrer Werke präsentiert werden. Als wir uns über ihre Arbeit unterhalten, zeigt sie mir lächelnd diesen Text. Wie denn der Titel ihrer Feldzeichnung laute, frage ich. Sie habe keinen, antwortet sie. Ich bräuchte aber für die Beschreibung ihrer Arbeit etwas, das mehr down to earth sei als der Katalogtext. Und Buchner meint: „Das wäre ein guter Titel für die Zeichnung.“

Maria Buchner lebt seit Jahren in München, hat an der Münchner Akademie Bildhauerei studiert und längere Studienaufenthalte in Kanada und Australien hinter sich. Nebenbei arbeitet sie als Übersetzerin. Im nächsten Jahr will sie einen langgehegten Plan verwirklichen: das „Goldstromprojekt“. In einem ausgetrockneten Flußbett mitten in Australien will sie auf 100 Meter Länge alle Steine mit Blattgold vergolden. Sie rechnet mit einem Jahr Arbeit. Zur Finanzierung verkauft sie derzeit Aktien des Goldstromprojekts zum Stückpreis von 100 Mark. Die neun Kilo Blattgold hat sie bereits beisammen. Sehen werden allerdings wieder nur wenige den „Golden Stream“. Erstens ist er weit abgelegen, und zweitens füllt sich der Fluß alle paar Jahre mit Wasser und wäscht alles weg – auch das Gold. Thomas Pampuch

Andere Arbeiten von Maria Buchner sind in der Orangerie in Gera zu sehen.