CDU/FDP wollen sich nicht an Tempolimit halten

■ Koalitionsparteien und Autoindustrie machen Front gegen SPD-Vorstoß

Berlin (taz/dpa/AFP) – Die FDP schäumt. Eine „Totalreglementierung auf deutschen Straßen stehe bevor“, sollte die SPD in diesem Land das Ruder in die Hand bekommen. So jedenfalls sieht es der Chef der Liberalen, Klaus Kinkel. Dabei hatte Kanzlerkandidat Rudolf Scharping am Mittwoch lediglich gesagt, er sei für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Eine Überreaktion sei das, meint Kinkel, eine Vereinnahmung des Ozonproblems, das sich so nicht lösen lasse. Die FDP werde jedenfalls niemals mitspielen, wenn es um die Freiheit der Autofahrer gehe. Rainer Brüderle, FDP-Verkehrsminister in Scharpings Kabinett in Rheinland-Pfalz, sah sich zu dem Hinweis genötigt, daß eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung nicht die Lösung aller Probleme sei. Wer aber würde das schon annehmen?

In ihrer Ablehnung eines Tempolimits auf unseren schönen Autobahnen steht die Regierungskoalition fest zusammen, Seit' an Seit'. Die Pläne paßten „nahtlos in die Magdeburger Strategie der SPD, den Weg für eine rot-grüne Politik auf Bundesebene zu bereiten“, macht der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos glauben. Dabei brächte ein Tempolimit der Umwelt gar nichts, behauptet die Automobilindustrie. Das Argument „Freie Fahrt auf unseren Autobahnen“ sei hingegen ein entscheidendes Plus beim Export, sagte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Erika Emmerich, im Saarländischen Rundfunk. „Wir können die Motoren hoch auslegen. Wir können ein Stück Know-how bieten, das die anderen nicht haben.“

Daß Scharping jetzt zur Speerspitze für ein Tempolimit erklärt wird, ist einigermaßen lächerlich. Denn er selbst hatte im Frühjahr durchgesetzt, daß keine konkrete Zahl in seinem Regierungsprogramm auftaucht – obwohl die SPD-Fraktion sich schon 1991 auf eine Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen festgelegt hatte. Christoph Zöpel, Verkehrsminister in Scharpings Schattenkabinett, hatte daraufhin seinen Abschied genommen, und auch viele andere Genossen waren sauer über den umweltfeindlichen Kurs ihres Parteichefs. Die Umweltschutzverbände bescheinigten Scharping zwar gestern einen Schritt in die richtige Richtung. Die Initiative aber ginge nicht weit genug, kommentierte der BUND. Auch Greenpeace-Experte Karsten Smid kritisierte: „Der SPD- Vorschlag kommt zehn Jahre zu spät.“ Angesichts der katastrophalen Schadstoffbelastungen seien Beschränkungen auf 100 Stundenkilometer auf Autobahnen sowie Fahrverbote in den Sommermonaten nötig.

Unterdessen hat die Landesregierung Schleswig-Holsteins angekündigt, daß schon am nächsten Samstag eine Sommersmog-Verordnung in Kraft tritt. Sobald mehr als 210 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft gemessen werden, darf auf Autobahnen nur noch 90 und auf Landstraßen 80 Kilometer pro Stunde gefahren werden. In Hessen war es gestern fast wieder soweit: Nachdem die Ozonwerte erneut angestiegen waren, rechneten die Behörden mit einem möglichen Ozonalarm am Abend. aje Seiten 6 und 10