Die Kunst der Hilfe zur Selbsthilfe

■ Hamburger Kunstprojekt artbase arbeitet für Somalia / Mappenwerk zur Aktion erschienen

An die 500 Millionen Mark hat die Bundeswehr während ihres Einsatzes in den brennend heißen Wüstensand Somalias gesetzt. Ende März dieses Jahres wurden die letzten der 1.700 deutschen Soldaten heimgeholt. Geblieben ist außer ein paar Brunnen mitten in der Wüste nichts. Schon ist das Weltinteresse wieder mit einer neuen und ebenfalls auf den historischen Fundamenten des Kolonialismus wurzelnden Katastrophe in Ruanda beschäftigt.

Die europäische Einmischung in Afrika, einem Kontinent mit über 1.000 Völkern, die in Staaten leben, deren Grenzen mit den traditionellen afrikanischen „Staatsformen“ nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, hat sich bisher als kontraproduktiv erwiesen. Orientiert an den Bedürfnissen und Gegebenheiten des Landes ist dagegen das artbase-Projekt, das der Hamburger Künstler Jörg Stange im vergangenen Herbst initiierte und am 2. Oktober 1993 in der konzertierten Kunstaktion „Wasser für Somalia“ gemeinsam mit dem SOFI (sozial-ökologisches-Freiheits-Institut) an den Landungsbrücken vorstellte. Mittlerweile arbeiten Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik und in Deutschland lebende Somalis bei artbase mit.

Ausgehend von der Maxime „Schenke einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn einen Tag, gib ihm eine Angel, und er wird in seinem Leben nicht mehr hungern müssen“ unterstützt artbase den Wiederaufbau einer Fischerei-Kooperative in Las Koreh im Norden Somalias. Obwohl nie direkt vom Bürgerkrieg betroffen liegen auch hier im Norden Somalias die Handels- und Versorgungswege brach, und Raubfischer aus Industrienationen schöpfen mit modernen Booten die Fischbestände ab. Um die traditionellen Boote wieder instandzusetzen, fehlt das Geld, das nun artbase aufbringen will.

Für den Kontakt zu den Fischern sorgt der somalische Veterinär Ahmed M. Guled von der Organisation für die somalische Einheit (OSE), denn „Informationen aus erster Hand und der Dialog vor Ort sind für das Gelingen des Projektes unverzichtbar“, heißt es im soeben erschienenen Mappenwerk, einer künstlerisch gestalteten Selbstdarstellung von artbase, dessen Verkaufserlös wieder direkt dem Projekt zufließt genauso wie Erlöse aus der von Jörg Stange gestalteten Wasser-Aktie. Der Hamburger Fischer Heinz Oestmann, ebenfalls bei artbase engagiert, sagt: „Fischerei hat in dieser Gegend nur dann eine Zukunft, wenn traditionelle Fangmethoden ausgebaut und möglichst kostenarme Mittel dafür verwendet werden.“

„In Las Koreh handelte einst Sindbad, der Seefahrer, mit Weihrauch. Er könnte es getan haben. Sollen wir keine Händler sein? Warum denn nicht? Tauschen wir in Sindbads Fahrensreich die braven Narreteien gegen Tausendundeine Nacht. Verwandeln wir in Somalia deutsche Maschinengewehre, Panzer und Lenkraketen zu Wasser. Werden wir die Händler der Wasseraktie“, schrieb Reimer Eilers, Bezirksvorsitzender des VS in Hamburg, Ende 1993, als die deutschen Jungs noch in Somalia hockten, in dem Aufsatz „Sindbad rettet die Bundeswehr“. Die Bundeswehr braucht in Somalia nun keine Hilfe mehr, während die Somalis jetzt erst recht Unterstützung brauchen. „Politik, so sagt man, sei die Kunst des Machbaren. Doch wo die Politik versagt, hinter ihren Grenzen, ergreift die Kunst selbst die Initiative“, heißt es in der art-base-Mappe. Folglich will Jörg Stange, der mit einigen artbase-Mitarbeitern im Herbst Somalia besuchen wird, auch neue Wege gehen, um Geld aufzubringen. Er will auch mit einem Mineralwasser-Hersteller verhandeln, einige 100.000 Wasserflaschen mit einem künstlerisch gestalteten Etikett zum erhöhten Solidaritätspreis zu verkaufen, um weitere Mittel in das Projekt fließen zu lassen, so daß es wie geplant weitergehen kann: „Ohne viel Bürokratie. Ohne aufwendige Zwischenstationen. Aber mit direkter Kontrolle. Und mit viel Phantasie.“ Und als ein zukunftsweisendes Modell einer aufrichtigen Hilfe zur Selbsthilfe.

Julia Kossmann

artbase-Mappenwerk und Wasser-Aktie zu beziehen über: Artbase-Projektlabor, Essener Str. 2, 22419 Hamburg, Telefon: 040/5278033;

Spendenkonto: OSE e. V., Kennwort „artbase“, Kto.Nr.: 248 886, Ökobank, Frankfurt/M., BLZ: 50090100