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Meter für Meter chinesischer

■ Architektur als Kontrollinstrument: In Tibet verschwindet Haus um Haus

„Sollte ... der Lhasa- Entwicklungsplan umgesetzt werden, wird Lhasa bis zur Jahrhundertwende seinen tibetischen Charakter und 10.000 Tibeter mehr ihre Wohnungen verloren haben.“ Diese These untersucht ein Bericht mit dem Titel „Destruction by Design: Housing Rights Violations in Tibet“, veröffentlicht vom niederländischen Zentrum für Wohnrecht und Zwangsräumungen.

Der Lhasa-Entwicklungsplan, demzufolge fast die gesamte Innenstadt der tibetischen Hauptstadt abgerissen werden soll, ist vermutlich die extremste Maßnahme der chinesischen Regierungspolitik in der „Autonomen Region Tibet“. Mit den Argumenten „Stadtverschönerung“ und Verbesserung der Infrastruktur soll der flächendeckende Abriß vollkommen solider tibetischer Bauten begründet werden. China macht aus Lhasa auf diese Weise Meter für Meter eine chinesischen Stadt. Ziel der Maßnahmen ist vor allem das alte Zentrum Bakhor, das bis zum Jahr 2000 bis auf ein paar Tempel, Klöster und Säkularbauten für die Touristen verschwunden sein wird. Die Pläne sehen Straßenerweiterungen vor – angeblich, um „Prinzipien moderner Stadtplanung mit baulicher Eleganz“ zu verbinden. In Wahrheit geht es um den leichteren Zugang für Polizei und Armee zu einem Herd der Unruhe.

Bakhor macht mit einer Fläche von nicht einmal einem Quadratkilometer keine zwei Prozent des gesamten Stadtgebiets aus. Einkaufszentren und chinesische Betonbauten drängen sich immer enger an die Altstadt heran. Die Stadt, etwa 28 Quadratkilometer groß, wird von diesen Blocks beherrscht; in ihnen wohnen Tausende chinesischer „Gastarbeiter“, die von den Wohnungsbau- und Stadtplanungsmaßnahmen in Tibet vor allem profitieren. Von hier aus unterstützen Hauspolizei, Armee und Regierung Maßnahmen, die eine bessere Kontrolle der Stadt gewährleisten sollen.

Diese Studie, die sich erstmals explizit mit der Politik der Verletzung des Wohnrechts in Tibet beschäftigt, ist eine längst überfällige Analyse der „Chinaisierung“ Tibets. „Destruction by Design“ konzentriert sich vor allem auf die Hauptstadt Lhasa, die – wenn auch nicht als einzige Stadt – unter der chinesischen „Rekonstruktionspolitik“ bisher am stärksten zu leiden hatte; das Buch stellt Fotografien, Stadt- und Bebauungspläne vor und zeigt, wie die Chinesen en masse in die Stadt hineindrängen und traditionelle tibetische Häuser zerstören. Die vielen konkreten Beispiele zeigen jedoch nur einen Bruchteil der ethnisch motivierten Massenräumungen, durch die Tausende von Tibetern heute schon obdachlos sind oder in völlig unzulänglichen Wohnungen leben müssen.

Der Fall Lhasa zeigt auch, wie Besatzungstruppen wohn- und baurechtliche Vorschriften als soziale Kontrollinstrumente einsetzen und so Minderheiten ins kulturelle und ökonomische Ghetto zwingen. Der Bericht fordert die chinesische Regierung deshalb auf, seine Wohnungsbaumaßnahmen an den – von ihr anerkannten – internationalen Standards auszurichten und den Tibetern Mitsprache- und Kontrollrechte bezüglich ihrer eigenen nationalen Entwicklung einzuräumen.

Ohne eine drastische und schnelle Umkehr der chinesischen Politik wird die tibetische Bevölkerung bald nur noch eine kleine Minderheit im eigenen Land sein, der man das legitime Recht zur Selbstbestimmung niemals wieder einräumen wird. Annie Knibb

„Destruction by Design: Housing Rights Violations in Tibet“, erhältlich beim Herausgeber Centre on Housing Rights and Evictions, c/o Scott Leckie, Hawikstraat 38B/S, 3514 TR Utrecht, Niederlande.

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