Scharping ist kein Eiertänzer

■ Der wahre Grund für den flotten Tempo-Sinneswandel der SPD

Der passionierte Rad- und Rennfahrer Rudolf Scharping (SPD) ist kein „Eiertänzer“, wie Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) behauptete, wenn es um Geschwindigkeitsbeschränkungen für AutofahrerInnen auf Autobahnen geht. Denn als der Kanzlerkandidat Rudolf Scharping die Aufnahme der Abschaffung der Raserei in sein Regierungsprogramm verhinderte, glaubte der Ministerpräsident Rudolf Scharping noch felsenfest an die Realisierung des sogenannten Transplantationsgesetzes in seinem Bundesland Rheinland-Pfalz. Seit Mittwoch ist dieses Ausschlacht-Gesetz, mit dem nach dem Willen von SPD und FDP verstorbenen BürgerInnen auch ohne eine (vorab formulierte) Einverständniserklärung diverse Organe hätten entnommen werden dürfen, vom Kabinettstisch – und seit Mittwoch ist Scharping für eine Geschwindigkeitsbeschränkung.

Was sollen zur Transplantation bereite Chefärzte auch mit der Leber etwa eines mit 92 Jahren im Bett verstorbenen Winzers anfangen, der seit seiner Konfirmation täglich eine Literflasche „Liebfrauenmilch“ konsumiert hat?

Nur noch die Haifische vor Westerland sind bereit, die Innereien von endgültig abgetretenen deutschen PolitikerInnen zu entsorgen: Sie haben kein Rückgrat – aber eine riesige Leber. Organhändler und Transplantationsärzte brauchen frische Ware aus frisch verstorbenen und vor allem jungen Unfallopfern.

Die Raserei auch auf den rheinland-pfälzischen Autobahnen hätte – in Verbindung mit dem Transplantationsgesetz – den prosperierenden Markt sättigen können. Auf der Warteliste für Nieren stehen zur Zeit 8.500 Menschen. Und 2.000 Patienten warten auf ein neues Herz oder eine noch brauchbare Leber. Und nur ohne Geschwindigkeitsbeschränkung hätten dann auch – in Verbindung mit dem Transplantationsgesetz – die auf Eis gebetteten Organe mit heißen Reifen in die Kliniken verbracht werden können.

Ohne das schöne Transplantationsgesetz ist die ganze Raserei jetzt völlig sinnlos geworden. Auch für Rudolf Scharping, der noch vor Monatsfrist der Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie anvertraut hatte, daß auch er auf Autobahnen gerne Tempo 100 fahre – „auf beiden Achsen“.

Und warum wehrt sich die Bundesregierung noch immer mit (für Transplantationen ungeeigneten) Händen und Füßen gegen ein Tempolimit auf den Autobahnen? Logisch! Weil Kohl und Kinkel schon seit Monaten an einem Transplantationsgesetz für ganz Deutschland basteln. Klaus-Peter Klingelschmitt