Ätzend: Ozon - das unbekannte Gas

■ Hamburger Wissenschaftler sind sich über die Gefährlichkeit uneins

Fünf WissenschaftlerInnen - sechs Meinungen. Über die Frage, ob und in welchen Konzentrationen das Ätzgas Ozon die Lungenfunktion beeinträchtigt und die Atemwege reizt, scheiden sich die Geister. Tendenz: Nichts Genaues weiß man nicht.

So verkündet Rudolf Jörres von der Forschungsstelle für Luftschadstoffe am Klinikum Groß Hansdorf: „Die Gefahr des Ozons wird wesentlich überschätzt.“ Er sei „zu der Einsicht gekommen, daß das Ozon in der Lunge wenig ausmacht“. Der Biologe forscht seit über drei Jahren über das ätzende Gas, führt mit Probanden Kurzzeittests durch und gilt als einer der Experten auf dem Gebiet. Und die sind sich fast alle einig. So meint auch Dr. Wolfgang Schürmann, Lungenfacharzt an der Uniklinik Hannover: „Bei gesunden Menschen kann man Symptome wie tränende Augen oder Hustenanfälle nicht auf Ozon zurückführen.“ Er räumt jedoch ein: „Man muß aber vermuten, daß es bei Asthmatikern zu Verschlechterungen des Gesundheitszustandes kommen kann.“

Viele Hamburger ÄrztInnen sehen ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen hohen Ozonwerten und Erkrankungen der Atemwege. Dr. Rolf Böhmer, Chefarzt der inneren Abteilung des Hafenkrankenhauses: „Wir haben zur Zeit nicht mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen als sonst auch. Ich kann nicht sagen, daß das Ozon an den Atembeschwerden dieser Tage schuld ist.“ Und die Allgemeinmedizienerin Dr. Marianne Brossaky: „Bei uns sind keine auf Ozon zurückführbaren Erkrankungen aufgetreten.“

Nach einer Studie der Hamburg-Mannheimer-Stiftung für Informationsmedizin ist die Lungenfunktion von Asthmakranken bei Ozontagesmittelwerten ab 100 Mikrogramm pro Kubikmeter beeinträchtigt. Auch Klaus-Peter Weiner, verkehrspolitischer Sprecher des BUND, ist der Überzeugung: „Wenn sich Lungenbläschen entzünden, ist das typischerweise auf das Ozon zurückzuführen“. Besonders an Lungenkrankheiten leidende Personen seien „Gesundheitsschädigungen ausgesetzt“.

Doch genau das bestreitet Dr. Brigitte Wängler von der umweltmedizinischen Beratungsstelle in Hamburg: „Untersuchungen haben ergeben, daß Risikogruppen wie Asthmatiker gerade nicht besonders gefährdet sind.“ Es gebe ozonempfindliche Menschen und solche, denen eine erhöhte Belastung durch das Gas nichts ausmache, sagt die Beraterin. Alles klar? Tammo Löffler