„Ich will zu meiner Familie nach Hause“

■ Mosambiks neue Streitkräfte rufen, aber keiner geht hin: Ex-Soldaten wollen nach Hause / Protestaktionen

Sabelua (taz) – Oberst Elias Dlakama, der schlanke und muskulöse Chef im Lager Sabelua in Mosambiks Zambezia-Provinz, redet nicht nur für die Besucher, sondern auch für die unter seinem Kommando stehenden aufmerksam lauschenden Kämpfer der Renamo-Rebellen: „Unsere Organisation bestimmt, wer Soldat in Mosambiks neuen Streitkräften wird.“ Doch die Fragebogen der Vereinten Nationen, die alle Guerilleros ausfüllen mußten, als sie in die Bambushütten mit Pritschen in dem UNO-Lager einzogen, sprechen für sich. „Nur etwa vier Prozent der 1.800 Männer hier wollen sich den neuen Streitkräften anschließen“, sagt UNO-Major Baleu Jeya. Er soll in Sabelua die Demobilisierung der früheren Rebellen überwachen und ist überzeugt: „Die Leute haben das Vertrauen in ihre Offiziere verloren.“

16 Jahre dauerte der Bürgerkrieg zwischen Regierung und Renamo in Mosambik. Wenige Wochen vor den geplanten Wahlen im Oktober zeichnet sich zwischen den Soldaten beider Seiten eine Gemeinsamkeit ab: Kaum jemand will sich den neuen, gemeinsamen Streitkräften, die 30.000 Soldaten umfassen sollen, anschließen. „Ich bin müde, mir reicht's. Ich will zu meiner Familie nach Hause“, sagt kurz und bündig der 44jährige Leutnant João Pembe, der in der Stadt Lichinga im Schatten eines verwilderten Rosenbuschs auf dem Hof der früheren Kaserne die Zeit beim Kartenspiel mit einem Kollegen verplempert.

Pembe verbrachte 1989 sechs Monate in Kuba bei einer Sonderausbildung. Das Mitglied einer Spezialeinheit schwärmt ebenso wie der 27jährige Leutnant Alfredo Ntambo jetzt nur noch vom Zivilleben. Hauptmann Rafael Rey, von Argentiniens Streitkräften zu „Unomoz“, wie die UNO- Operation in Mosambik heißt, für einen Tagessold von 105 US-Dollar abgestellt, bestätigt den Eindruck, den auch seine Kollegen in Sabelua gewannen: „Die wollen alle nicht mehr zur Armee.“

Mosambiks neue „Forzas Armadas Democraticas“, so beschlossen Renamo und Regierung bei der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 1992, sollen zu je 15.000 Mann aus früheren Soldaten beider Seiten gebildet werden.

Seit die Truppen in Lager zusammengezogen und entwaffnet werden, zeigt sich, daß Renamo insgesamt nur 19.000 Mann hat. Von angeblich 60.000 Soldaten der bisherigen Regierungsstreitkräfte sind 12.000 nicht aufzufinden. Diplomaten in der Hauptstadt Maputo sind sicher: Es handelte sich um Phantomsoldaten, deren Sold sich Generäle und Offiziere in die Taschen steckten. Renamo-Chef Alfonso Dhlakama dagegen sagt: „Wir können uns auf solche Vermutungen nicht verlassen.“

So gerät der Demobilisierungsprozeß ins Stocken. Mehrmals meuterten Regierungssoldaten, blockierten Straßen und nahmen Geiseln, um Forderungen nach mehr Essen und schnellerer Demobilisierung zu erheben. Inzwischen geraten auch Renamo-Soldaten außer Kontrolle. Anfang Juli blockierten sie die wichtige Nationalstraße 2 zwischen Maputo und Chimoio. Und im Lager Sabelua wird es den fünf UN-Soldaten nie langweilig. „Hier weiß ich morgens nie, was uns bevorsteht“, stöhnt der spanische Major Cuadra. Philip Clark, aus Chile stammender Leiter des „World Food Programme“ (WFP) in Mosambik, läßt bei einem Besuch in dem Lager ganz nebenher den Satz fallen: „Sabelua ist das disziplinloseste Lager von allen 49 Demobilisierungscamps.“ Wie alle Soldaten, die demobilisiert werden sollen, erhalten die Renamo-Kämpfer Rationen vom WFP. „Aber wir können immer nur Vorräte für eine Woche dorthin liefern“, sagt Clark, „die plündern nämlich immer das Vorratslager.“ Auf einem leeren Mehlsack bietet ein Renamo-Kämpfer zudem eine Verbesserung der UN-Diät an: Mäuse, die kleinsten zu fünf, die größten zu zehn Pfennig. „Die legt man in die Pfanne und brät sie“, erläutert Verkäufer Paolo vergnügt – mit Haut und Haaren versteht sich, sonst bliebe kaum etwas übrig.

Selbst Renamo-Chef Alfonso Dhlakama gibt zu: „Die Soldaten werden ungeduldig und sind des Wartens müde.“ In Sabelua kommen andere Faktoren hinzu: Das Lager ist mit 1.800 statt den geplanten 700 Renamo-Kämpfern völlig überbelegt. Langeweile und ungewisse Zukunft fördern die Ungeduld. Die Vereinten Nationen gestalten außerdem den Abschied von der Uniform äußerst attraktiv: Zusätzlich zu einem Paket mit Nahrungsmitteln, Kleidern, Werkzeug und Saatgut winkt Geld. Wer nach Hause geht, erhält drei Monate Sold in bar und 18 Monatslöhne in Schecks, die alle vier Wochen eingelöst werden können. Für Leutnant Pembe ist damit sein Auskommen in Höhe von 256.000 Metcais (45 US-Dollar) gesichert, bis er seinen Traum, Händler zu werden, verwirklichen kann. „Sowohl die Renamo- wie auch die Frelimo-Soldaten sind zwangsrekrutiert“, fügt eine UN-Funktionär noch hinzu. Selbst die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz im krisengeschüttelten Mosambik stärkt den Wehrwillen nicht.

Renamo-Chef Alfonso Dhlakama scheint sich mit der unerwarteten Ablehnung der neuen Armee abzufinden: „Wir brauchen Streitkräfte, um unser Land verteidigen zu können, aber sie können auch kleiner als 30.000 Mann sein.“ Möglicherweise müssen die 4.000 Mann reichen, die gerade ausgebildet werden. Willi Germund