Abwasser-Urteil

■ Kommunale Gebühren sinken

Berlin (taz) – Die Gebührenzahler jubeln, die städtischen Kämmerer müssen noch schärfer rechnen: Das ist das Ergebnis eines Musterprozesses, in dem das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden hat, welche Kosten die Städte und Gemeinden bei der Abwasserbeseitigung auf die Gebührenzahler abwälzen dürfen. Kalkulatorische Zinsen können demnach nicht mehr auf den Wiederbeschaffungswert, sondern nur noch auf den sehr viel niedrigeren Anschaffungswert einer Altanlage berechnet werden.

Die kalkulatorischen Zinsen – das sind Zinsen, die der Kommune entgehen, weil sie ihr Geld nicht anlegt, sondern zum Beispiel für ein Klärwerk ausgibt – machen oft den größeren Brocken an den Gesamtkosten aus. Deshalb wird sich das Urteil deutlich in den Gebührenbescheiden für HauseigentümerInnen widerspiegeln. Auch MieterInnen haben Grund zur Freude: Die Nebenkosten werden sinken.

Das Urteil wirkt sich nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler auch auf andere Gebühren aus, zum Beispiel beim Müll. Zwar bezieht sich das OVG-Urteil nur auf Nordrhein-Westfalen, doch erwartet der Steuerzahlerbund, daß sich auch die Gerichte anderer Bundesländer dieser Rechtsprechung anschließen werden.

Bös' überrascht sein dürfte auch so mancher Kämmerer, der ein uraltes Kanalnetz weiter fröhlich in die Gebührenkalkulation eingebracht hat – obwohl die Abschreibungsdauer weit überschritten und der Zeitwert der Anlage gleich Null ist. Die Richter haben dem einen Riegel vorgeschoben.

Das Urteil gilt rückwirkend schon für dieses Jahr. Georg Lampen vom Bund der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen fordert nun von Stadträten und den kommunalen Verwaltungen, daß alle Gebührenzahler für 1994 ihr Geld zurückbekommen, sofern sie zuviel gezahlt haben. Stellen sich die Städte und Gemeinden quer, profitieren nur diejenigen, die rechtzeitig Widerspruch eingelegt und gegebenenfalls ihre Gemeinde verklagt haben.

Die Einnahmeverluste allein der nordrhein-westfälischen Kommunen dürften sich groben Schätzungen zufolge auf eine dreistellige Millionensumme belaufen. Insofern gibt es keinen ungetrübten Anlaß zur Freude: Das Geld muß an anderer Stelle eingespart werden. Viel Spielraum bleibt den Städten da nicht. Wie gehabt könnten darunter wieder die Falschen leiden: weil Kindergärten nicht gebaut, Jugendheime und Schwimmbäder dichtgemacht werden oder bei Bussen und Bahnen gespart wird. Lorenz Redicker