Viele Pläne, viele Kräne?

■ Karolinenviertel: Reichlich Bauvorhaben und reichlich Diskussionsbedarf / Wohnprojekt oder lieber mehr Grün im Stadtteil? Von Sannah Koch

Da wird gebaut, dort nicht, aber dafür bald da drüben. Oder wird da gebaut, dort eventuell auch, aber dann da drüben nicht? Viele Pläne, viele Kräne – sollten alle Überlegungen, die derzeit Stadtentwicklungsbehörde (Steb), Stadterneuerungsgesellschaft (Steg) und Bezirksamt Mitte wälzen, auch realisiert werden, dann wird das Karolinenviertel bald zur Großbaustelle.

Rund um den Ölmühlenplatz könnten die Bauarbeiter dann von Gerüst zu Gerüst springen: Vom Wohnprojekt zum Bürgertreff, vom Abenteuerspielplatz zur umgebauten Rinderschlachthalle.

Ob auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ derselbe dann noch ansässig sein wird, ist derzeit fraglich. Sicher scheint vielmehr, daß einige der Bauvorhaben im Viertel nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen.

Dabei sind die Pläne schon relativ konkret: Auf dem „Platz des himmlischen Friedens“, der Freifläche an der Marktstraße, soll ein Wohnprojekt entstehen. Die Finanzbehörde hat das städtische Grundstück, das derzeit als Park genutzt wird, einer Kleingenossenschaft anhandgegeben. Die Initiative Markthof möchte hier soziales Wohnen in neuer Bauform präsentieren: In einem regalförmigen Stahl-Grundkonstrukt sollen die Bewohner die Möglichkeit bekommen, die Wohnungszuschnitte nach den eigenen Bedürfnissen gestalten zu können.

Allerdings: Auch wenn die Initiative im Karoviertel ansässig ist, sind ihre Pläne dort nicht unbedingt genehm. Denn eine starke Fraktion von AnwohnerInnen möchte nicht nur auf diesem Platz, sondern auch auf dem Ölmühlenplatz wegen des fehlenden Grüns im Quartier jegliche Neubebauung verhindern. Markthof-Sprecher Jörn Sturm: „Es gibt –ne Menge Gesprächsbedarf, wir wollen hier nicht den Rammbock spielen.“

Diskussionsbedarf gibt es auch für den Ölmühlenplatz: Über dessen Zukunft soll Anfang September nach einer öffentlichen Veranstaltung entschieden werden. „Wir nehmen die Bürgerbeteiligung sehr ernst“, bekräftigt Bezirks-Baudezernent Peter Gero. Im Frühjahr hatten einige Anwohner mit einer Pflanzaktion bereits demonstriert, wie sie den jetzigen Autoparkplatz künftig nutzen wollen. Nach Verhandlungen mit Steb-Senator Thomas Mirow durften die Pflänzchen stehen bleiben, jetzt entwickeln Steg und Bezirksamt verschiedene Nutzungskonzepte für den Platz. Darunter mehrere Kombinationen von Park mit und ohne Stellplätze oder soziale Einrichtungen wie Abenteuerspielplatz plus Bürgertreff. „Nach der Entscheidung für das Wohnprojekt würde ich ein Signal für eine Freifläche auf dem Ölmühlenplatz geben wollen“, so Gero.

Und noch nicht genug mit Baulust: Auch für die Rinderschlachthalle nebenan ist einiges im Schwange. Hier bastelt die Steg an einem Konzept, das Ende des Monats bei Senator Mirow auf dem Tisch liegen soll. Danach sollen in die Halle die Volkshochschule, ein türkisches Theater, der Verein stadtteil- und milieunahe Erziehung (SME), eine Kindertagesstätte und möglicherweise die behinderten Künstler aus dem Stadthaus Schlump einziehen.

Noch unklar ist aber, wie der millionenschwere Umbau finanziert werden soll. Nur ein Teil könnte über die Mieten finanziert werden, einige Nutzer wären auf Zuschüsse von Behörden angewiesen. „Ein Quadratmeterpreis von 15 Mark aufwärts wäre für das Viertel durchaus noch verträglich“, meint Steg-Mitarbeiter Dieter Lux. Von den ursprünglichen Plänen, in der Rinderschlachthalle einen Öko-Markt unterzubringen, ist die Steg abgerückt. Ein Gutachten hatte dies für komplett unrentabel erachtet.

Die Steg hofft, daß in der Steb noch in diesem Jahr über ihr Konzept entschieden wird; dann könne man möglicherweise schon im zweiten Halbjahr 1995 mit Bauvorbereitungen beginnen.

Baudezernent Gero sieht das weniger optimistisch: „Ich will die Entscheidung um die beiden anderen Grundstücke losgelöst von der Rinderschlachthalle treffen. Das kann sonst noch Jahrzehnte dauern.“