Grundsolide sozial

■ KleingärtnerInnen laufen Sturm gegen Wohnanlage für AsylbewerberInnen

Die Schrebergartenkolonie an der Wolfskuhle ist schon eine kleine grüne Idylle. Das jedenfalls finden die GartenfreundInnen. Da stört auch kaum die Kattenturmer Heerstraße, die ein paar Meter weiter vorbeirauscht. Aber seit ein paar Monaten ist die Kattenturmer Harmonie schwer gestört. Der Grund: Jenseits des Gartenzaunes leben seit Dezember letzten Jahres 18 Großfamilien, von der Sozialsenatorin in 20 neu gebaute Einfamilienhäuser einquartiert. 112 Kinder und Jugendliche tummeln sich zwischen den Häuserreihen – und scheinen das Kleingartenleben nebenan zur Hölle zu machen. Den Eindruck muß bekommen, wer das dicke Protestschreiben durchblättert, das die ParzellistInnen vor einigen Tagen an diverse SenatorInnen, das Ortsamt und die Bürgerschaftsfraktionen geschickt hat. „Wir haben eine grundsolide soziale Einstellung“, schreibt der Chef der Bremer Gartenfreunde, aber was zuviel ist, ist zuviel. Und wie zur Warnung ist gleich ein Flugblatt der Republikaner angehängt. Dicke schwarze Lettern: „Stopt den Asylbetrug! Sofort!“

„Die da hinten wollen den Garten bald aufgeben“, sagt eine ältere Frau zwischen Blumen und Gemüse, und sie deutet in Richtung der Häuser an der Kattenturmer Heerstraße. „Da“, sagt sie verständnisvoll, „da ist es aber auch kaum zum Aushalten.“ Da, das sind die Parzellen, in deren Nachbarschaft die Neubauten stehen, die von Dezember bis Mai Zug um Zug bezogen worden sind. Da, hinter dem Zaun, da wohnen die Fremden, die nichts machen als Ärger und Dreck und Scherereien. „Brutale Gewalt gegen unsere Besitzstände“, heißt es im Brief eines Kleingärtners. Bei Autos seien die Reifen zerstochen worden. Blumen ausgerissenen, Pflanzen geklaut, Vogelhäuschen aufgebrochen, und dann der Krach: „Einige Kinder können gar nicht spielen, diese schreien und gröhlen nur immer herum. Wir wollen nur unsere Ruhe und Sicherheit, welche wir bisher hatten.“

Keine zehn Meter von der Gartengrenze stehen die ersten Häuser. Insgesamt 18 Großfamilien wohnen hier, eine bosnische, eine polnische, ansonsten sind es kurdische LibanesInnen, erzählt die Chefin der Johanniter-Station, die in zweien der Häuser eingerichtet worden ist. Kindergarten, Hausaufgabenbetreuung, die ersten Kurse für die völlig überlasteten Mütter – es passiert einiges bei den Johannitern. Daß es zu Reibereien mit der Nachbarschaft kommt, „das können wir so schnell auch nicht verhindern. Ich kann schon verstehen, daß die Leute sauer sind“, sagt die Betreuerin. Wie sollte es auch anders sein, wenn so viele Kinder auf so engem Raum leben müssen. Die Mütter, die traditionell für die Erziehung zuständig sinsd, können sich bestenfalls um die Allerjüngsten kümmern.

Schule ist bis mittags, die Johanniter gehen um vier, ansonsten sind die Kinder auf sich alleine gestellt - und erkunden wie selbstverständlich die Umgebung. „Daß die durch die Zäune gehen und Obst klauen, das ist für die normal“, sagt Mounir El-Serie, selbst Libanese, der einige der Familien betreut. Die Kurden sind im Libanon buchstäblich zwischen die Fronten geraten, die wurden in den Häusern in der Frontlinie einquartiert. Die haben nie was anderes kennengelernt als Krieg“, sagt er. Und ein Zurück gibt es nicht: Der Libanon verweigert seinen kurdischen Staatsbürgerinnen die Reisepässe.

Ganz langsam sind die ersten Veränderungen im Verhalten zu erkennen, sagt die Johanniter-Chefin. Vor allem bei den Jüngeren. „Man muß Geduld haben, wir haben auch erst angefangen.“ Daß einige der Familien jetzt eigene Gärtchen hinterm Haus angelegt haben, das gibt Hoffnung: „Da merken die Kinder vielleicht, daß man woanders Blumen nicht ausrupfen darf.“

Geduld, das ist nicht gerade das, was die KleingärtnerInnen noch weiter aufbringen wollen. Der Sommer ist traumhaft, und sie fühlen sich aus ihren Gärten vertrieben. Immerhin: Eines hat ihr flammendes Protestschreiben inklusive Drohung mit den Reps erreicht:So schnell wie möglich soll ein Runder Tisch einberufen werden, um KleingärtnerInnen, Flüchtlinge, Politik und Verwaltung zum Reden zu bringen, sagt Ortsamtsleiter Siegmund Eibich. Und dann wird er vielleicht zur Beruhigung der AltbremerInnen ein paar Geschichten aus seiner Jugend erzählen: „Da hab ich in einer straße gewohnt, da waren ganz viele Flüchtlingsfamilien aus dem Osten in der Nachbarschaft. Alle kinderreich. Die Straße war verschrieen in der ganzen Stadt.“ J.G.