Der doppelte Rittberger in den Hürdentext

■ Das Bremer Kunstmagazin „Artist“ : Seit fünf Jahren ringt es um Stil und Layout / Trotzdem besteht es

Wer kauft schon eine Zeitschrift, um sie zu lesen? Die meisten tun's doch nur wegen der Bilder. So jedenfalls mag der Herausgeber des „Artist“, Ernst Purk, gedacht haben, als er sich entschloß, in Bremen ein neues Kunstmagazin herauszubringen. Also nahm er als ausgebildeter Graphikdesigner das kompositorische Seziermesser zur Hand und zerhackte von der ersten Ausgabe an die von Kritikern, Kunstwissenschaftlern und sonstigen Autoren angelieferten Texte in oft quer zum Sinn geteilte Schriftblöcke. Dies allein schien aber noch nicht zu reichen, weswegen zusätzlich von Heft zu Heft auch noch die Typographie gewechselt wurde. Hierzu Herausgeber Purk: „Wir sind von allen anderen Zeitungen und Zeitschriften dermaßen auf 45 Millimeter Spaltbreite in Times- oder Garamond-Typen gepolt, daß wir nur noch wie mit Scheuklappen über die Inhalte hecheln. Dabei bleibt doch kaum was hängen.“ Also baut er Hindernisse in den Text und hofft, daß die LeserInnen nicht an diesen, sondern an den Aussagen hängen bleiben. Vorausgesetzt, sie sind bereit, die Lesehürden zu nehmen.

Um die Sache aber so richtig komplett zu machen, nahm man sich beim „Artist“ auch noch die Bilder vor, ließ sie manchmal fast bis auf Briefmarkenformat zusammenschrumpfen oder schob sie in die äußersten Seitenecken, bis ein unverkennbar radikales Layout entstanden war.

Mit diesen gestalterischen Anschlägen auf Texte und Bilder behinderte man nicht nur die LeserInnen, sondern handelte sich anfangs auch Vorwürfe seitens der präsentierten KünstlerInnen ein. Aber eines hatte man damit erreicht: Auf dem gedrängten Markt der Kunstzeitschriften war „Artist“ ein unverwechselbares Blatt. Und sowas ist, wie Ernst Purk – hauptberuflich Inhaber einer Werbeagentur – aus seinem Alltagsgeschäft bestens weiß, zumindest eine Grundlage, um sich im Gerangel der Konkurrenten überhaupt erst bemerkbar zu machen.

Fragte sich nur, ob man eine Zeitschrift, die sich derart gegen alle Rezeptionsgewohnheiten richtet, auch längerfristig auf dem Markt würde halten können. Man kann, wie der „Artist“ beweist. Denn mit dem aktuellen Heft begeht das Bremer Kunstmagazin mittlerweile sein fünfjähriges Jubiläum; ein Zeitraum, der – hat man ihn erst mal überstanden – branchenintern allgemein als gesicherte Basis für ein weiteres Bestehen gilt. Allerdings haben die „Artisten“ im Lauf der Jahre die Attaken gegen ihre Leser allmählich abgemildert. Von Ausgabe zu Ausgabe sind die Hefte lesbarer geworden, das Layout glatter, die vorgestellten Positionen abgesicherter. Wie's eben ist, wenn man in die Jahre kommt. Mit dem Renommeé wächst die Seriosität und von der anfangs programmatisch angekündigten wilden Mischung aus bildender Kunst, Design, Mode, Film, Literatur, Musik etc. bleibt schließlich fast nur ersteres übrig: die bildende Kunst. Dies liegt sicher auch an Joachim Kreibohm, der den „Artist“ seit zwei Jahren als Chefredakteur leitet. Kreibohm – als Vorsitzender der GAK (Gesellschaft für Aktuelle Kunst) dem Kunstvereinsgedanken verpflichtet – trifft eine strikte Auswahl der vorzustellenden KünstlerInnen nach dem nicht unbescheidenen Motto: „Wir stellen heute junge Positionen vor, die morgen an Bedeutung gewinnen.“

Daß man mittlerweile tatsächlich Bedeutung als überregionales Kunstmagazin erlangt hat, gibt dem Konzept des Chefredakteurs, weniger bremische Kunst und stattdessen mehr Positionen von nationaler und internationaler Relevanz zu präsentieren, sicher recht. Allerdings droht die Vorliebe für solch gesicherten Boden manchmal etwas auszuarten. Denn es scheint, daß es für Bremer Künstler immer schwieriger wird, im „Artist“ zu erscheinen – eben, weil sie Bremer sind.

Aber für all die von der Redaktion Abgewiesenen hat man gleich einen Ausweg parat, nämlich das neueste Pferd im Stall des „Ernst Purk Verlag“: „Artist window“. Dieses in gleicher Hochglanzqualität zweimal jährlich erscheinende Druckerzeugnis ist ein reines Anzeigenblatt für KünstlerInnen. Ohne redaktionelle Hürde kann sich hier jeder einkaufen und darauf hoffen, so die ersehnte Publicity zu bekommen.

„Artist window“ ist ein cleverer Schachzug des Werbeexperten Purk. Als Beilage des „Artist“ und auf Messen etc. kostenlos unter die Leute gebracht, bietet es KünstlerInnen die Möglichkeit, potentielle Interessenten auch ohne Galeriekontakt zu erreichen. Gleichzeitig wirft „window“ einen ordentlichen Gewinn für die Macher ab und hilft so, den Fortbestand des Mutterblattes abzusichern. Das lohnt sich, denn nicht nur Rubriken wie „Artist news“ (Ausstellungstips, Personalia etc.) und „Artist page“ (bis zu sechs Seiten, die jeweils ein(e) KünstlerIn frei gestaltet), sondern auch die in jedem Heft enthaltene Künstlerbeilage machen das Magazin zu einem echten Marktlückenfüller.

Moritz Wecker

„Artist“ Kunstmagazin erscheint vierteljährlich im Ernst Purk Verlag, Bremen, und kostet pro Heft DM 10,-.