„Punk-Treffen sind keine Hippie-Feten!“

■ Punk Sven über die Chaos-Tage in Hannover und die neue alte Punkbewegung

Seine Haare hat er grün, schwarz und rot gefärbt. Sven ist ein Punk der neuen Generation. Am Samstag reiste er nach Hannover zu den Chaos—Tagen. Dort wollte er neue Leute kennenlernen. Er traf sie in der Gefängniszelle.

taz: Deine Tageslosung nach diesem Wochenende?

Sven: Polizeistaat, so kam mir das vor. Alles, was anders aussieht und anders denkt, wurde mitgenommen.

Was wolltest du in Hannover?

Spaß haben, andere Leute treffen, Musik hören.

Und ein bißchen Randale?

Punk-Treffen sind doch keine Hippie-Feten. Das weiß doch jeder, daß da mal was zu Bruch gehen kann.

Spaß und Gewalt gehören unzertrennlich zusammen?

Nee, das muß nicht sein. Aber am Samstag haben die Bullen provoziert. Ich bin um 9 Uhr morgens im Bahnhof angekommen, trink auf'm Bahnsteig ein Bierchen, da springen mir zwei Zivilbullen von hinten in die Beine, legen mich flach auf die Erde und pressen mir den Kopf auf den Boden. Sie pressen mir den Knüppel in den Nacken und legen mir Handschellen an. Dann schieben sie mich an den Haaren in den Kessel zu den anderen. Da werde ich sauer.

In den Flugblättern wurde doch zur Bambule aufgefordert. Hattest du keinen Schiß vor der Polizei?

Nee. Du mußt damit rechnen, daß du was abkriegst, wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort stehst. Die große Randale ist einfach so passiert. Da waren wahrscheinlich wieder mal alle voll, und dann geht das los.

Die Chaos-Tage nicht mehr als ein bloßes Ritual?

Die Randale war scheiße. So konnte das große Treffen gar nicht zustande kommen. Eigentlich wollten wir einen Startschuß für eine neue Punkbewegung geben. Wäre doch klasse gewesen, so ein Treffen, wo viele, viele Leute aus der ganzen Republik da sind, die dasselbe wie du im Kopf haben. Es hätte so gut werden können.

Eines hat geklappt: Wie vor zehn Jahren lief die Chose gemeinsam mit Skins ab.

Das waren keine Nazi-Skins. Waren alles gute Leute dabei.

Wie bist du dir sicher, daß da keine Faschos mitgemischt haben. Die hätten doch auch Freude an einer Aktion gegen den Staat.

Eh, die Faschos tragen entsprechende Aufnäher an der Jacke.

Saufen, Randale, Musik. Die Chaos-Tage als unpolitische Angelegenheit.

Wir haben keine Message, wie auf 'ner Autonomendemo. Brauchen wir nicht.

Vor zehn Jahren hieß es noch „no future“, keinen Bock auf nichts. Kannst du damit heute was anfangen?

Nö. Ich finde, no future hat die Szene auch ein bißchen kaputtgemacht. Die Leute haben ja nichts mehr auf die Beine gestellt, sondern nur noch in der Einkaufsstraße rumgelegen und sich die Birne zugesoffen. Das ist ja nicht das, was Punk ausmacht.

Erzähl, was macht Punk aus?

Schwer zu sagen, das ist das Lebensgefühl, irgendwie anders zu sein. Aber es ist nicht nur saufen und abhängen.

Punk sein wird wieder in?

Wir werden immer mehr. Deswegen ja das Hannover-Treffen.

Bißchen Bambule machen, saufen, die uralte Punkband Slime hören und ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, ist das nicht langweilig?

Ist ja nicht alles, was wir wollen.

Worum geht's euch?

Hm, das weiß ich auch nicht so genau.

Und die nächsten Chaos-Tage kommen bestimmt?

Klar. Aber die Bullen schlafen nicht. Einer von denen sagte mir: Beim nächsten Mal greifen wir alle, die nicht schnell genug auf die Bäume kommen. Interview: Annette Rogalla

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