Die Geräusche der Großstadt

■ Menschenlärm ist angeblich schlimmer als Maschinenlärm Von Kaija Kutter

Wir hören Seltsames. Das Bezirksamt Eimsbüttel wird ein Verfahren gegen den Asta der Uni Hamburg einleiten. Grund: Beim Kulturspektakel auf dem Campus Ende Juni ward es Anwohnern zu laut. Phonzahlen wurden nicht gemessen, aber die subjektiven Berichte der Grindelaner tun's auch. Drei Tage Musiklärm im Sommer beschäftigen nun also ein Amt. Vielleicht gibt's ein Bußgeld (Maximum 10.000 Mark), vielleicht wird das Fest 1995 nicht mehr erlaubt.

Lärmbeispiel Nummer zwei: Autos, Lastwagen und Motorräder auf der Sievekingsallee, einer der Hauptausfallstraßen in Richtung Osten. Ein Kneipier hatte hier den Mut, im Vorgarten eines Altbauhauses Tische und Bänke aufzustellen. Die von grüner Hecke umrahmten Sonnenschirme sehen einladend aus. Doch wer sich hier niederläßt, um ein kühles Pils zu trinken, hat schon verloren. Der Straßenkrach ist unerträglich.

Dennoch lassen sich ein paar Herren das Skatdreschen nicht vermiesen. Ungerührt vom Krach schunkelt eine alleinerziehende Mutter ihr Baby in den Schlaf, beim zweiten Bier. „Ich muß mit ihm raus, sonst kommt es nicht zur Ruhe“. Es ist die einzige Gartenkneipe weit und breit. Stadtplaner haben dafür weder Blick noch Herz.

Wohnen und Leben an einer Hauptverkehrsader, ist das moralisch verantwortbar? Baubehördensprecher Jürgen Asmussen sieht das so: „Selbst wenn wir den Leuten Geld dafür zahlen, daß sie aussziehen, würden neue Menschen dort einziehen“. Der Wohnraumbedarf sei bei 20.000 bis 30.000 Zuzügen pro Jahr unersättlich. Und die Autos zu verbannen, das widerspreche dem Verfas-sungsgrundsatz der Freizügigkeit. Am besten wäre es, so Asmussen, „wenn die Leute mal wieder zu Fuß gehen und das Auto nicht zum Zigarettenholen benutzen“. Die Baubehörde werbe dafür mit Plakaten, aber leider sei der Etat in Gefahr.

Himmel, wo ist die verantwortende Hand? Wie üblich, schön aufgeteilt. Lärmschutz ist Sache der Baubehörde, Lärmminderungsplanung die der Umweltbehörde. Lärm gilt als Emission, für die es laut Bundesgesetz ab bestimmten Richtwerten passiven (Fenster) und aktiven (Schutzwälle) Lärmschutz gibt. Wie Lärmminderungsplanung funktioniert, war in der unterbesetzten Umweltbehörde gestern nicht zu erfahren.

Lärmbeispiel Nummer drei: Alsterdorf, Barmbek, Eilbek, Hamm. Die gesamte östliche Stadt bekommt derzeit zu spüren, daß Hamburg einen Flughafen hat. Wegen Bauarbeiten ist bis zum 19. Ausgust die Startbahn 1 gesperrt. Die Flugzeuge kommen von Süden. Die Folge: Gespräche sind bei offenem Fenster nicht zu führen. Und es kann passieren, daß man morgens von Fliegern träumt und anschließend der Schatten eines Jets über den Frühstückstisch huscht. Örtliche Initiativen gegen Fluglärm sollten die Tage nutzen, um für ihr Anliegen zu werben. Ganz Alsterdorf kann nachvollziehen, wie Langenhorn sonst leidet.

Aber zum großen Aufschrei kommt es nicht. Sicherlich, so Alfred Girlich vom Büro des Fluglärmschutzbeauftragten, kämen Beschwerden, oft seien die Anrufer aber beruhigt, weil der Fluglärm ja befristet ist. Eine Frage der Güterabwägung. Jede Landebahn muß mal repariert werden, und „irgendwo müssen die Flugzeuge ja hin“, so Girlich.

Lärmbeispiel Nummer vier: Im Fall der Alsterschwimmhalle wurde die Güterabwägung anders entschieden. Weil sich Anwohner beschwerten, dürfen Badegäste seit 1990 abends nicht raus. „Gegen den Autoverkehr können wir nichts ausrichten, gegen das Außenbecken schon“, sagte kürzlich eine Anwohnerin zur taz.

Die Badegäste sind schwächere Gegner als Autos. Immerhin ist diese Haltung erklärbar. Denn zu den Faktoren, die Lärmbeeinträchtigung bestimmen, gehört neben dem Lärmpegel auch die „subjektive Betroffenheit“, wie es ein Mediziner formuliert. „Es ist ein Unterschied, ob ich den Lärm selber mache oder ihn aufgedrückt bekomme“. Und es ist ein Unterschied, ob der Betroffene gegen die Lärmquelle etwas unternehmen kann. Außerdem werden Lärmgeschädigte zu Kommunikationsmuffeln. Neben Herzinfarktrisiko (ab 65 Dezibel) und Schlafstörungen (ab 35 Dezibel), ist die Einschränkung der sozialen Aktivitäten eine der Folgen. Und wer kann es dann noch ab, daß sich andere amüsieren.