Desinfizierte Spritzen sind nicht sicher

■ Justizverwaltung räumt ein: Desinfektion schützt nicht vor einer HIV-Infektion / Einwegspritzen trotzdem abgelehnt

Das Desinfektionsmittel, das in den nächsten Wochen an Strafgefangene ausgegeben wird, damit sie ihre Spritzbestecke reinigen können, kann das Risiko einer HIV- oder Hepatitis-Infektion „nur mindern, nicht ausschließen“. Dies geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Justiz auf eine kleine Anfrage des bündnisgrünen Abgeordneten Bernd Köppl hervor. Damit räumt die Justizverwaltung ein, daß die Maßnahme nicht geeignet ist, HIV-Infektionen durch intravenösen Drogengebrauch in den Haftanstalten wirksam vorzubeugen.

Die Ausgabe von Einwegspritzen sei, so heißt es in der Antwort weiter, „aus gesundheitlichen Gründen an sich wünschenswert“, aus Sicherheitsgründen aber nach wie vor abzulehnen, weil sie als Waffe gegen Wärter verwendet werden könnten. Eingeräumt wird, daß „gewisse körperliche Schäden und Schmerzen nicht ausgeschlossen werden können“, wenn Reste des Desinfektionsmittels bei der erneuten Verwendung der Spritze in den Blutkreislauf gelangten. Bei sachgemäßer Anwendung könne eine Gefährdung jedoch nicht auftreten. Das gewählte Mittel Betaisodona stelle in der anzuwendenden Verdünnung „eine sehr geringe Gefährdung“ dar. Den Gefangenen werde in einem Merkblatt außerdem genau erklärt, wie sie mit dem Mittel umgehen müssen.

Wie Justizsprecherin Uta Fölster der taz mitteilte, wird das Desinfektionsmittel Betaisodona bereits in der richtigen Verdünnung von 0,5 Prozent ausgegeben. „Es wird eine Menge sein, die mehrfach verwendet werden kann“, erläutert sie. Zunächst werde in einem Pilotprojekt in der JVA Tegel über mehrere Monate erprobt, „ob das angestrebte Ziel erreicht wird“. Man müsse sehen, wie das Desinfektionsmittel von den Gefangenen angenommen werde. Geplant sei, daß alle 4.000 Strafgefangenen die Hausapotheke bekommen, die auch Tupfer, Kompressen und Pflaster enthalte.

Bernd Köppl hält die Ausgabe des Desinfektionsmittels für „das Gefährlichste, was man tun kann“. Den Gefangenen werde damit eine falsche Sicherheit vorgegaukelt. „Das Desinfizieren ist auf keinen Fall sicher. Es können noch Reste von Blut in der Spritze bleiben, in dem Erreger überleben“, warnt der Arzt. Gerade der Hepatitis-Virus sei sehr stabil und müsse „ganz lange und mit hohen Temperaturen“ abgetötet werden. Außerdem werde eine sachgemäße Anwendung des Desinfektionsmittels dadurch erschwert, daß dies heimlich erfolgen müsse. Denn der Besitz von Spritzen im Knast bleibe nach wie vor illegal. Köppl schätzt, daß das Mittel eine Stunde lang einwirken müsse. Da sich die Gefangenen dabei aber nicht erwischen lassen dürften, „spülen die das mal schnell durch, und dann wird die Spritze wieder versteckt“.

Auch die Aids-Beauftragte der Ärztekammer, Constanze Jakobowski, hält es aus medizinischer Sicht für sinnvoller, Einwegspritzen auszugeben. Desinfektionsmittel hält sie ebenfalls für „nicht ganz sicher“. Zumal es auf die richtige Anwendung ankomme.

Gesundheitssenator Peter Luther (CDU), der sich bereits für die Vergabe von Einwegspritzen ausgesprochen hat, wird das Problem demnächst mit Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) erörtern. Dorothee Winden