■ Die Polizei vor Ort muß bei rechten Aufmärschen handeln
: Aus dem Fulda-Debakel gelernt?

Als Provokation ist die Idee der „Jungen Nationaldemokraten“ kaum zu überbieten. Das Jungvolk der geistigen Brandstifter von NPD und ähnlichen Vereinen möchte Flagge zeigen – vornehmlich wohl die Reichskriegsflagge –, und das ausgerechnet vor jenem Haus in Solingen, in dem fünf türkische Frauen und Mädchen Opfer eines rassistischen Brandanschlages wurden. Zwar war mit einer Genehmigung der als Demonstration deklarierten Verhöhnung der Opfer nicht zu rechnen. Signifikant für das erstarkte Selbstvertrauen der Rechtsextremen ist die Einreichung eines solchen Genehmigungsantrages aber allemal.

Die Provokation der „Jungen Nationaldemokraten“ reiht sich ein in die Bemühungen anderer rechtsextremer und neonazistischer Kreise. Sie wollen zwischen dem 13. und 20. August die Republik mit einer Machtdemonstration anläßlich des Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß überziehen. Auch für diese Organisationen ist das Datum des Todestages nur Instrument, neues Selbstvertrauen zu demonstrieren. Die angegebenen erwarteten Teilnehmerzahlen zwischen 500 und 6.000 bei den vielfach angekündigten Versammlungen dürften zwar maßlos übertrieben sein. Zu erwarten ist aber – wie im letzten Jahr in Fulda – der Versuch der Rechtsextremen, nach einem längeren Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei an einen Ort zu gelangen, an dem sie ungestört zu Hunderten aufmarschieren können. Es wird sich dann zeigen, ob Behörden und Politiker aus dem Skandal des vergangenen Jahres gelernt haben, ob sie derartige Neonazi-Aufmärsche konsequent unterbinden werden. Daß dazu ein generelles bundesweites Demonstrationsverbot, wie es gestern der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Hermann Lutz, vorgeschlagen hat, sinnvoll ist, scheint eher fraglich. An einer rechtlichen Handhabe zur Auflösung des rechten Aufmarsches hatte es auch in Fulda nicht gemangelt. Allein, die Polizei vor Ort sah sich nicht genötigt, gegen die nicht angemeldete Demonstration vorzugehen. Präventive Verhaftungen oder schärfere Gesetze, wie sie in den letzten Tagen überwiegend von Unionsseite aus ins Spiel gebracht wurden, sind zum einem untauglich, zum anderen aber auch nicht notwendig. Denn verschärfte Strafandrohungen nutzen nichts, solange keiner vor Ort willens ist, Strafverfolgung überhaupt zu betreiben. Das war nicht nur vergangenes Jahr in Fulda zu sehen. Beispielhaft dokumentiert wurde diese Ignoranz in Sachsen-Anhalt, als Skins und Rechtsextreme unter den Augen der Polizei am letzten Himmelfahrtstag völlig unbehelligt Jagd auf AusländerInnen machen durften.

Vielleicht darf man ja in der gestrigen Entlassung des zuständigen Polizeipräsidenten Stockmann in Magdeburg jetzt ein Signal des Umdenkens erkennen. Landauf, landab beteuern Kommunen und Behörden nun auch, in Sachen Heß-Gedenken „sensibilisiert“ zu sein und Aufmärsche der Neonazis verhindern zu wollen. Polizisten gibt es in der Bundesrepublik genug, um dieses durchzusetzen. Es wird sich aber vor Ort entscheiden, ob diese gewillt sind, dem rechten Spuk ein Ende zu machen. Entschieden wird dann über den Vorwurf, daß die Polizei auf dem rechten Auge immer noch blind sei. Wolfgang Gast