„Flüchtlinge brauchen präzise Informationen“

■ Robert Menard, Direktor von „Reporters sans frontières“, über den neuen Informationssender „Radio Gatashya“ für ruandische Flüchtlinge im zairischen Goma

taz: Seit letztem Freitag sendet „Radio Gatashya“, zu deutsch „Die Schwalbe, die gute Nachrichten bringt“, aus Goma. Wer kann den Sender hören?

Robert Menard: Mit 600 Watt ist der Sender ziemich stark, er reicht rund 150 Kilometer weit. Wir haben zwar bisher nur 1.000 Transistorradios verteilt, aber viele Flüchtlinge haben welche aus ihren Dörfern mitgebracht. Nächste Woche werden wir noch einmal 14.000 Stück verteilen können.

Wer hat den Sender finanziert?

Die Schweizer Entwicklungshilfe, Unesco, INHCR und die Stiftung „Fondation de France“. Die Investitionskosten liegen bei umgerechnet 400.000 Mark.

Wie lange und wie oft ist die „Schwalbe“ zu hören?

Jeden Tag um 8 Uhr, 13 Uhr und 17 Uhr, jeweils für eine Stunde. Zum Teil sind das ganz kurze Informationen, die sich wiederholen, Ratschläge wie: Wasser abkochen, um Cholera zu vermeiden. Sechs Prozent der Flüchtlinge haben schon Cholera, die Hilfsorganisationen schätzen, daß bis zu zwanzig Prozent die Ruhr haben. Und dann beantworten wir Fragen. Als erstes haben wir eine Versammlung mit einer Gruppe von Flüchtlingen gemacht, um herauszufinden, was sie wissen wollen: Wie bekomme ich meinen Flüchtlingsausweis? Wozu berechtigt er mich? Darf ich in Zaire arbeiten? Dann geben wir aktuelle Informationen. Zum Beispiel, welche Hilfsorganisation wo und wann Lebensmittel verteilt. Und welchen Transport es dahin gibt – schließlich sind die meisten Flüchtlinge sehr erschöpft, und die Ausgabestellen liegen oft weit voneinander entfernt.

Ihre Informationsquellen sind also...

...nur die Hilfsorganisationen, die vor Ort arbeiten. UNO, Ärzte ohne Grenzen, das Rote Kreuz, Care, Oxfam, insgesamt bestimmt über zwanzig.

Sie informieren nur, wollen nicht kommentieren. Fordert niemand die Flüchtlinge zur Rückkehr nach Ruanda auf?

Wir haben diskutiert, ob das sinnvoll ist. Aber niemand kann heute genau genug sagen, was in Ruanda passiert, um die Verantwortung dafür auf sich zu nehmen. Auch das UNHCR, das ursprünglich für die Rückkehr war, hat nach dem Besuch der Hochkommissarin Ogata letzte Woche davon Abstand genommen. Wohl aber geben wir Informationen darüber weiter, was die Hilfsorganisationen in Ruanda tun, wenn zum Beispiel das Rote Kreuz auf der Straße nach Kigali ein Lazarett eröffnet. Flüchtlinge, die von sich aus zurückkehren, sollen wissen, was man in humanitärer Hinsicht für sie tut.

Hält „Reporter ohne Grenzen“ auch bewußt Abstand zu der Regierung in Kigali?

Es hat hier soviel Propaganda gegeben, vor allem natürlich durch den Sender „Mille Collines“, der zum Völkermord an den Tutsi aufrief. Deswegen macht jetzt für die Flüchtlinge nur ganz präzise Information Sinn, die sie überprüfen können. Dann gewinnen wir vielleicht allmählich ihr Vertrauen.

Wer macht die Sendungen von „Radio Gatashya“? Haben Sie einheimische Journalisten gefunden?

Eigentlich hatten wir das vor, dann haben wir doch entschieden, zunächst nur mit Journalisten von außen zu arbeiten. Im Moment sind das Franzosen und Schweizer, Ruander arbeiten derzeit nur als Übersetzer. Und die Übersetzungen ins Suaheli und Kinyaruanda werden jeweils nochmal von einem Tutsi und einem Hutu geprüft.

Warum eigentlich noch zusätzlich die gleichen Ausstrahlungen auf französisch?

Weil jeder hier französisch versteht – manche besser, manche schlechter.

Seit Samstag wird in Goma gesendet, ein zweiter Sender ist in Bukavu, am südlichen Ende des Kivu-Sees installiert.

Dort sind die Schweizer Kollegen, es hat einige Verzögerungen gegeben, aber ab kommendem Samstag wird auch von da gesendet. Interview: Michael Rediske