Die SPD nach Sachsen-Anhalt

Verhältnisse in den Ländern seien auf den Bund nicht übertragbar, stellte SPD-Chef Scharping gestern auf der Wahlkonferenz seiner Partei klar / Sozialdemokraten grenzen sich von PDS ab  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Der Parteivorsitzende startete kämpferisch, und das Publikum ging gerne mit. Der dankbare und reichliche Beifall, mit dem die sozialdemokratischen Kandidaten, Geschäftsführer und Wahlkampfleiter aus Bezirken und Landesverbänden gestern Rudolf Scharpings Redeauftakt quittierten, wies schon darauf hin, daß die Wahlkonferenz der SPD in der Godesberger Stadthalle für Kontroversen keinen besonderen Anlaß sah. Zwei Monate vor der Wahl hatte das Ollenhauer-Haus die Funktionsträger zusammengetrommelt, die sich in den nächsten Wochen ins Zeug legen müssen, wenn die Wahlkampfmaschinerie richtig laufen soll. Nach Lage der Dinge war es auch die erste größere SPD- Veranstaltung nach der Koalitionsbildung in Magdeburg, die in der Öffentlichkeit heftig und in der SPD erstaunlich zurückhaltend diskutiert worden ist.

Es sei seit dem Parteitag in Halle „das eine oder andere passiert, an dem sich unsere Gegner reiben“, leitete Scharping gleich nach dem erwartungsgemäßen Aufruf zum Wechsel zum Thema Sachsen-Anhalt über. Die PDS „ist eine undemokratische Partei“, die SPD werde mit ihr „nicht und in keiner Form zuammenarbeiten“. Wer jedoch die PDS bekämpfen wolle, müsse die Aufgabe ernst nehmen, deren Wähler zu überzeugen. Auch eine weitere Klarstellung verfolgt der Saal ohne größere Reaktion: Verhältnisse aus den Ländern seien nicht übertragbar auf den Bund, nicht die von Magdeburg, Wiesbaden, Mainz und „leider auch nicht die aus Düsseldorf“. Doch dann redet Scharping über Mehrheitsverhältnisse. Die CDU müsse etwas begreifen. Wenn sie bei Wahlen verliert und ihr Koalitionspartner ganz ausfällt, dann „haben wir keinen Grund, diesen abgesoffenen Hilfsmotor zu ersetzen“. Und an dieser Stelle zeigt der Beifall ungeteilte und begeisterte Zustimmung an. In der Godesberger Stadthalle ist von Irritationen nach der überraschenden Koalitionsbildung nichts zu spüren. Daß die CDU-Ost sich auf Blockflöten stütze, daß die „neugegründeten Parteien SPD, und ich nenne hier auch ausdrücklich das Bündnis 90“, sich von solchen Leuten nichts von Anstand erzählen lassen müssen, daß Kohls Politik die PDS größer gemacht habe, als verantwortbar sei – die 500 Versammelten sehen es so selbstbewußt wie ihr Vorsitzender.

Reinhard Höppner hatte es am Abend zuvor nicht ganz so leicht. Der frischgebackene Landesvater hatte die Bonner Presse in den Garten der Landesvertretung Sachsen-Anhalts eingeladen. Höppner präsentierte sich nur in zweiter Linie mit den künftigen Vorhaben seiner Regierung; er warb vorrangig für seine Regierung und ihr spektakuläres Zustandekommen. Der Sozialdemokrat aus Sachsen-Anhalt antwortete auf die Fragen zur PDS mit Feinschliff. Ist die PDS undemokratisch? Höppner verwies auf seinen Amtsvorgänger Bergner, der die PDS als demokratische Partei eingestuft hat. Er selbst würde soweit nicht gehen wollen, sie sei „bestenfalls auf dem Weg zu einer demokratischen Partei“. Linksextremistisch? „Damit ist die PDS nicht hinreichend beschrieben.“

Höppner hob die hohen Wahlergebnisse für die PDS hervor, die bei den Kommunalwahlen sogar noch höher ausgefallen seien. Für die Wähler sei die Wahlentscheidung für die PDS „keine Frage der Ideologie, sondern der Identität“. Eben deshalb aber betonte Höppner auch, daß diese Koalition „im Lande“ entschieden worden sei und nicht beliebig zu transportieren sei. „Die Konstellation, die wir in Sachsen-Anhalt gewählt haben, funktioniert in Bonn nicht.“ Höppner sieht seine Regierung keineswegs einseitig auf die PDS-Stimmen angewiesen. Wenn im Landtag demnächst die Zustimmung zu den Verträgen zwischen der katholischen Kirche und dem Land anstünde, könne die CDU kaum dagegen stimmen. Und ein paar Gesamtschulen mit PDS-Stimmen gegen die Union durchzusetzen, damit habe er bestimmt kein Problem.