Neue Spur zu iranischen Diplomaten?

■ Beim Anschlag in Buenos Aires verfügen Justizbehörden offenbar über Beweise

Buenos Aires/Berlin (AFP/wps/ taz) – Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das jüdische Zentrum in Buenos Aires am 18. Juli geraten einmal mehr iranische Diplomaten in den engeren Kreis der Ermittlungen. Die argentinischen Justizbehörden haben offenbar „genügend Beweise“ für die Verwicklung von Diplomaten aus Teheran in den Anschlag, bei dem 95 Menschen getötet und mehr als 250 verletzt worden waren. Wie die Nachrichtenagentur Diarios y Noticias am Montag berichtete, verfügt der zuständige Bundesrichter Juan José Galeano über belastendes Material gegen mehrere noch amtierende Diplomaten Irans sowie gegen frühere Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Buenos Aires. Welcherart die „Beweise“ gegen die iranischen Diplomaten sind, wurde zunächst nicht bekannt.

Wenn sich die Informationen von Diarios y Noticias bestätigen, muß der Fall dem Obersten Gerichtshof Argentiniens übertragen werden. Dieser ist nach der argentinischen Verfassung für alle Fälle zuständig, in die ausländische Diplomaten verwickelt sind.

Der mörderische Anschlag von Buenos Aires wäre nicht der erste, bei dem die Spuren der Ermittler via iranische Diplomaten im Ausland nach Teheran führen. Eine zumindest äußerst dubiose Rolle spielten die iranischen Auslandsvertretungen vor Ort bei der Ermordung des Generalsekretärs der „Kurdischen Demokratischen Partei Irans“, Abdul Rahmen Ghassemlou, 1989 in Wien, ebenso beim Mord am Führungsmitglied der oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin, Kazem Radschavi, 1990 in der Nähe von Genf und dem tödlichen Anschlag auf den letzten Premierminister unter dem Schah-Regime, Schahpur Bachtiar, im Jahre 1991 in Paris. Jedesmal setzten sich von der Polizei gesuchte Personen in die Botschaften ab, was zu absurden Verhandlungen und Deals mit den jeweiligen Regierungsbehörden führte und häufig in der Ausreise der Verdächtigten resultierte; im Falle des Bachtiar-Mordes wurde ein Mitarbeiter der Botschaft in Bern in Untersuchungshaft genommen. In der Bundesrepublik sorgte in diesem Zusammenhang vor allem der Mykonos-Prozeß für Schlagzeilen. In dem Berliner Restaurant dieses Namens wurden am 17. September 1992 der Ghassemlou- Nachfolger Mohammed Sadeq Scharakandi und drei weitere iranische Kurden ermordet. Die Bundesanwaltschaft machte den iranischen Geheimdienst für die Tat verantwortlich. Zusätzliche politische Brisanz erhielt der Fall, als kurz vor Prozeßbeginn im Oktober letzten Jahres der iranische Geheimdienstchef Ali Fallahian zu Besuch in Bonn weilte. Geheimdienstkoordinator Schmidtbauer gab damals an, die Gespräche seien aus humanitären und politisch übergeordneten Gründen notwendig gewesen, und zog sich damit geharnischte Kritik aus den USA und Großbritannien zu.

Diese Anschläge galten, im Gegensatz zu den jüngsten in Rio und London, iranischen Dissidenten. Mindestens 59 von ihnen sind seit der Errichtung der Islamischen Republik im Iran 1979 im Ausland getötet worden. Bei Anschlägen gegen jüdische oder israelische Einrichtungen wiesen bislang die Spuren nicht direkt nach Teheran. Allerdings berichtete jetzt die britische Zeitung Sunday Telegraph unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, ein Führungsmitglied der proiranischen libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah sei für den Anschlag in Buenos Aires verantwortlich. US-Außenminister Warren Christopher erklärte nach dem Attentat, „Gruppen wie Hisbollah, die Amok laufen, müssen bekämpft werden“. Bei seinem jüngsten Besuch in Damaskus forderte er den syrischen Präsidenten Hafis al-Assad auf, die Aktivitäten der Hisbollah im Libanon einzuschränken.

In Buenos Aires demonstrierten am Montag etwa 200 Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft vor dem Justizpalast in Buenos Aires und verlangten eine Aufklärung des Anschlags. Wie die Organisatoren mitteilten, soll fortan jeden Montag demonstriert werden, bis der Anschlag vom 18. Juli aufgeklärt ist.