Verduftete Kunst

■ Überraschung der Minimal Art: Sie hat die Zeit erstklassiger Pointen hinter sich.

Bremerhaven „Raum auf Zeit“ steht in roten Lettern auf der Fensterfront des kleinen Ladenraums. Drei Künstler stellen hier aus. Aber was? Wer durch die Scheibe schaut, sieht zuerst die beigen Steinfliesen am Boden und die strahlende Neonröhre an der Decke. Beim zweiten Blick auf die weißen Wände fällt auf, daß da zwar wenig, aber doch etwas hängt: Links hat Ralph Hinz (Bremerhaven) die Leisten eines biederen, hölzernen Bilderrahmens so zusammengesetzt, daß dazwischen kein Platz für ein Bild bleibt. Auf der gegenüberliegenden Wand hat Wolfgang Michael (Bremen) einen rechteckigen Glaskörper in die Wand eingelassen. Die Fläche ist weiß bemalt, nur der aus der Wand vorspringende Rand läßt das Material erkennen. Wer die Nase an die Scheibe des großen Fensters drückt, wird auf der weißen Rückwand eine etwas anders gefärbte Fläche erkennen (Michael Stephan aus Hannover hat sie mit Rasiercreme erstellt).

Hier wird gespielt: Mit einem Fensterblick in einen (fast) leeren Raum, mit Rahmen ohne Bild, mit dem Sinn oder Nicht-Sinn von Begrenzungen. Das Spiel ist streng, still und sparsam nach Maßgabe der Minimal-Artisten, aber wen oder was verändert das? Mein Freund Martin in Berlin, seit den Anfangszeiten seiner professionellen Mal-Arbeit ein leidenschaftlicher Konzeptualist, überraschte mich dieser Tage mit dem Eingeständnis, die Minimal-Art begnüge sich neuerdings mit zweitklassigen Pointen. Was macht er? Er malt wieder, er geht in die Kunstgeschichte zurück, er ist bei Guido Reni angelangt, beim Erzengel Michael, der den Teufel besiegt. Aber er will nicht rückwärts gehen. Der Rahmen, der sich selbst genügt, der unsichere Stand des Artisten, die ironischen Abstraktionen, bleiben in seinen neuen Bildern aufgehoben.

Im „Raum der Zeit“, im Zentrum Bremerhavens, direkt unter den Räumen der Kunsthalle, wird eine Kunst-Moderne beschworen, die ihre Zeit gehabt hat und deren intellektueller Reiz verblaßt. Aber die drei nostalgischen Streiter wissen das bestimmt. Sonst hätte Michael Stephan für seine fast nicht sichtbare Wandfläche kaum Rasiercreme benutzt – mit einer Duftessenz, die sich im Lauf der Zeit verflüchtigt. Wer schnuppern will, muß um den Schlüssel für die Glastür bitte n.

Hans Happel

Der Raum auf Zeit ist bis zum 22. August einzusehen (Karlsburg 4), er wird nach Vereinbarung geöffnet (0471-46838)