■ Nasrins Exil beginnt in Schweden: Es ist schwer, aus der Fremde zu kämpfen
Die Regierung von Bangladesch ist glücklich. Taslima Nasrin hat das Land verlassen. Sie war ein ständiges Ärgernis in ihren Augen.
Noch immer fordert Jamat-i-Islami, die größte fundamentalistische Gruppe, ihren Kopf und beschuldigt nun die Regierung, weil sie Taslima Nasrin geschützt und ihr die Ausreise ermöglicht hat. Die Jamat fordert: „Bringt sie zurück!“
Taslima Nasrin ist die am meisten gesuchte Person in den islamischen Ländern. Sie ist heute nach Salman Rushdie Feind Nummer 1.
Taslima hat sich um das Volk von Bangladesch große Verdienste erworben, besonders um die Anliegen der Frauen. Sie hat die Macht der Mullahs attackiert.
Bangladesch, ein armes Land mit einer hohen Rate von Analphabeten, ist schon halb ein islamisches Land. In einer solchen Situation ist eine Fatwa probates Mittel für Mullahs und Fundamentalisten. Vor der tödlichen Fatwa, die von den islamistischen Parteien unterstützt und durch den Haftbefehl der Regierung flankiert wurde, hat sich Taslima Nasrin mehr als zwei Monate lang verstecken müssen. Am 3. August schließlich hat sie sich dem Gericht gestellt und wurde gegen eine Kaution von 10.000 Taka (ca. 500 DM) auf freien Fuß gesetzt. Es war nicht leicht, dies zu erreichen. Nur nach starkem Druck aus dem Ausland hat sich die Regierung von Bangladesch zu diesem Schritt bequemen können.
Gestern hat Taslima Bangladesch in Richtung Schweden verlassen. Das scheint zur allgemeinen Erleichterung das Ende des „Falles Nasrin“, schafft aber in Bangladesch auch neue Probleme. Niemand im Land hat einen solchen Mut bewiesen wie Taslima Nasrin. Sie ist eine bekennende Feministin. Die Frauen der bengalischen Mittelschicht brauchen sie. Trotzdem oder gerade deshalb hat sie auch Gegnerinnen in der feministischen Bewegung Bangladeschs. Aber die jüngere Generation an den Colleges und Universitäten ist auf ihrer Seite.
Ihre Kritiker sagen sogar, sie habe mit ihren Schriften der Frauenbewegung und den Fortschrittlichen im Land geschadet. Die Mullahs, die Fundamentalisten und die Jamat-i-Islami, heißt es, haben durch sie die Chance bekommen, sich in den Straßen zu produzieren. Sie sind jetzt zusammengeschweißt. Vorher hatten sie nicht einen solchen Zusammenhalt, und es fehlte ihnen der Mut, gegen die säkularen Kräfte aufzubegehren. Taslima Nasrins Schriften waren Wasser auf ihre Mühlen.
Das mag oberflächlich gesehen stimmen. Aber Taslima Nasrin hat nur gezeigt, wie gefährlich die Mullahs für Bangladesch werden können. Sie agierten im Hintergrund, jetzt kämpfen sie im offenen. Sie hat deren Coming-out nur beschleunigt.
Es ist gut zu wissen, daß Taslima ihr Land verlassen konnte, um ihr Leben zu retten. In die Freude darüber mischt sich aber auch Wehmut. Wird ihre Botschaft Bangladesch von einem fremden Land aus erreichen? Wird die Presse in Bangladesch ihre Schriften weiter drucken? Ihr Verleger kann kaum riskieren, Nasrins Bücher zu veröffentlichen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Presse steht unter dem Druck der Regierung. Es gibt eine unmerkliche Zensur. In Bangladesch hatte sie gute Beziehungen zu Zeitungen und Zeitschriften. Wird sie den Kontakt zur bangladeschischen Gesellschaft, zur Kultur und Politik, zu den Alltagsproblemen ihrer Heimat verlieren, die doch das zentrale Thema ihrer Arbeit sind? Es ist schwer, aus einem fremden Land weiter für die Aufklärung zu kämpfen. In der Fremde mag Taslima Romane und Gedichte schreiben, vielleicht gar ihre Memoiren. Aber wenn man den Kontakt zu den gesellschaftlichen Strömungen verliert, wird auch das Schreiben schwer.
Taslima ist eine bengalische Schriftstellerin. Ich hoffe, sie wird eines Tages zurückkehren können, und die Macht der Mullahs wird dann gebrochen sein. Daud Haider
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