Keine Lösung in Sicht im Wüstenkrieg

■ Der Konflikt zwischen bewaffneten Tuaregs und den Regierungen in Mali und Niger weitet sich auf die Nachbarn aus / Malis Präsident beschwört "zweites Ruanda", Burkina Faso fürchtet um seine Stabilität

Ouagadougou/Berlin (IPS/taz) Der bewaffnete Konflikt in den afrikanischen Sahelstaaten Mali und Niger zwischen Tuareg-Rebellen und Regierungen ist im Begriff, sich auf die Nachbarländer auszuweiten. „Wenn wir es nicht schaffen, gemeinsam diesen Konflikt zu lösen, droht uns ein zweites Ruanda“, sagte Malis Präsident Alpha Omar Konare im Juni bei einem Besuch im südlichen Nachbarstaat Burkina Faso. Wenige Tage später kam es dort zu ersten Tuareg-Guerillaangriffen. Innenminister Vincent Kabre meinte daraufhin: „Jetzt werden wir in den Konflikt hineingezogen.“ Seitdem spielt seine Regierung eine zentrale Rolle bei den Versuchen, eine politische Lösung zu finden.

Der Tuareg-Konflikt in Mali und Niger ist so alt wie die beiden Staaten selber, die jeweils aus fruchtbaren Savannen im Süden mit schwarzafrikanischer Bevölkerung und Wüstengebieten im Norden mit reichen Bodenschätzen und einer marginalisierten, aus dem traditionellen Nomadenleben entfremdeten Tuareg-Minderheit bestehen. Offene Kämpfe brachen in beiden Ländern 1990 aus. Die Tuareg-Organisationen fordern größere Autonomie für ihre Siedlungsgebiete, und seit Jahren kommt es immer wieder in beiden Ländern zum Abschluß von Friedensabkommen, die aber selten eingehalten werden.

So sollten in Mali laut einem 1992 unterzeichneten Abkommen zwischen der Regierung und vier in der „Volksfront für die Befreiung des Azawad“ (FPLA) vereinten Tuareg-Bewegungen die FPLA- Kämpfer in die reguläre Armee integriert werden. Nur wenige hundert taten das auch, und im vergangenen März ging der Krieg von neuem los, nachdem der in die Armee eingetretene Militärkommandant Bilal Saloum von der FPLA- Untergruppe „Volksbewegung Azawad“ (MPA) bei einem Attentat getötet worden war. Inzwischen gibt es fast jede Woche Auseinandersetzungen mit FPLA-Einheiten – manchmal weit an der Grenze zu Mauretanien, manchmal in zentralen Städten wie Segou, wo Mitte Juli 35 Menschen getötet wurden.

Einige der in Malis Armee integrierten Tuaregs sind nach Burkina Faso geflohen, wo unter anderem bereits ein malischer Tuareg- Guerillaführer lebt. So ist Burkina zu einem zentralen Vermittler geworden – nicht nur in Mali. Im Juni fädelte die burkinische Regierung Gespräche zwischen der Regierung von Niger und der dortigen Tuareg-Guerilla FLAA in Paris ein, die am 23. Juni zum Abschluß eines Abkommens über eine Umstrukturierung der Verwaltung und Regionalwahlen führten. Eine Woche zuvor hatte Burkinas Präsident Blaise Compaore nach dem OAU-Gipfel in Tunis seine Kollegen aus Mali und Niger zu einem Impromptu-Treffen mit Libyens Führer Muammar Gaddafi nach Tripolis mitgenommen – Gaddafi wird zuweilen als heimlicher Förderer der Rebellen verdächtigt.

Diplomatische Erfolge brauchen alle Länder dringend. „Eine instabile Lage wird sich verheerend auf unsere gesamte Wirtschaft auswirken“, sagt ein Regierungssprecher in Burkina. „Aber im Falle des Scheiterns der Friedensbemühungen können wir nicht neutral bleiben.“ Nigers Regierung muß nicht nur Tuaregs abwehren, sondern auch Islamisten, die die sich verschlechternde soziale Lage zunutze machen. Auch Malis Regierung steht innenpolitisch unter Druck: Diese Woche traten Teile der Armee in den Streik und forderten ein härteres Durchgreifen vor allem in den Wüstengebieten im Norden, wo der Staat kaum präsent ist.

„Malis Präsident Konare will seine junge Demokratie unter allen Umständen retten. Aber die nervöse Öffentlichkeit in seinem Land entwickelt zunehmende Agressionen gegen die Tuaregs“, mahnte kürzlich ein westlicher Diplomat in Burkina Faso. „Wenn ihm auf internationaler Ebene nicht geholfen wird, muß er den nationalistischen Strömungen nachgeben und seine Armee einsetzen.“

Dominic Johnson