Mit grünem Baum, Babys und einer Oma

■ SPD präsentierte Wahlkampfplakate

Bonn (taz) – Von Kohl lernen heißt siegen lernen, sagte sich die SPD grimmig, als sie nach dem Debakel der Europawahl ihre Wahlplakate abräumte und darüber nachdachte, wie man es besser machen könnte. Während die CDU die Wählerschaft in sanfte Zuversicht gehüllt hatte, verbreiteten im Frühsommer Mafiosi in Handschellen und die Parole „Sicherheit statt Angst“ auf den SPD-Plakaten Euro-Schrecken. Wer hätte dem Kanzler widersprechen wollen, als er am Tag danach meinte, wer Wahlen gewinnen wolle, müsse halt von „den Leuten“ etwas verstehen.

Die SPD hat zugehört. Äußerst positiv schauen uns und der Zukunft auf den neuen Plakaten entgegen: eine Oma („Kohl – Ich bin mehr für was Jüngeres“), drei Babys („Macht zusammen 750 Mark Kindergeld“) und eine Großfamilie auf der Datsche („Was uns gehört, muß unser bleiben“). Und dann blickt da noch ein halber Robert Redford tief in die Augen seiner Gefährtin („Bezahlbare Wohnungen“). „Arbeitsplätze mit Zukunft“ besitzen bereits Kollege und Kollegin auf der Baustelle, und ein quietschgrüner Baum mahnt milde: „Energie sparen“. Und damit Kanzlerkandidat Scharping filmerisch hochwertig beim Publikum ankommt, wurde für ARD- und ZDF-Werbespots gar ein Porträt des SPD-Chefs bei Ingmar-Bergmann-Sohn Daniel geordert.

So weit, so gut. Die freundlichen Plakate, die SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen gestern vorstellte, sollen uns zu verstehen geben, daß auch Sozialdemokraten wissen, daß „die Leute“ in schweren Zeiten nicht unaufhörlich mit schlechten Nachrichten malträtiert werden wollen.

Doch nur Kohl kann seine schöne Welt mit der Aussicht verknüpfen, daß alle so weitermachen dürfen wie bisher. Die Opposition kommt am Aufruf zur Veränderung nicht vorbei, und die ist bekanntlich anstrengend. Fast verwegen mutet da die positive Zeile an, die das Ollenhauer-Haus für den Wechsel erfand. Handschriftlich lädt die SPD auf ihren Materialien zur Wahlschlacht: „Freu Dich auf den Wechsel, Deutschland.“ tib