■ Nachgefragt
: Gift im Schwimmbad

Alarm im Horner Freibad: Bei einer vom Privatsender SAT 1 in Auftrag gegebenen Untersuchung von 60 deutschen Freibädern hat Dr. Wolfram Thiemann, Professor für Chemie an der Universität, angeblich einen „Giftcocktail“ festgestellt. Die Gesellschaft für öffentliche Bäder streitet eine Gefährdung ab. Wir fragten nach.

Ist es wissenschaftlich nachgewiesen, daß Chlordämpfe in Hallen- und Freibädern krebserregend sind?

Also, ich sage ja. Das ist immer der alte Streitpunkt, bis das in Jahrzehnten mal anerkannt wird. Im Tierversuch, im epidemologischen Untersuchungen, Unfällen, weiß man das ohne Zweifel. Aber in Schwimmbädern heißt es, das sei völlig hergeholt. Es werden ja auch keine systematischen Untersuchungen gemacht.

Das Problem ist ja nicht neu.

Das ist uralt! Wir haben in Bremen schon 1980 Hallenbäder untersucht. Zeitweise ist es ein wenig besser geworden, aber es ist wieder der Zustand eingerissen, daß man überhaupt nicht mehr mißt. Das Gesundheitsamt hat mir signalisiert, daß die die Untersuchungen nicht machen dürfen. Ich wollte ein Streitgespräch mit Vertretern des Gesundheitsamtes oder des Senates, aber die haben sich alle gedrückt.

Was bildet sich denn im gechlorten Wasser unter Hitzeeinwirkung aus Chlor und Hautpartikeln?

Das ist ein wilder Cocktail von wahrscheinlich Tausenden von Einzelverbindungen, die wir nur zu einem Bruchteil untersucht haben. Man muß sich langsam damit abfinden, daß Chlor und seine Produkte extrem giftig sind.

Wie ist das im Horner Bad: Ist die Verbindung von salzhaltiger Solelösung und Chlor besonders gefährlich?

Nein glaube ich nicht. Beim Horner Bad hält sich hartnäckig das Gerücht, daß wegen des Solgehalts das Wasser nicht gechlort werden muß. Das ist Quatsch. Zweitens ist das Horner Bad hochfrequentiert, und deswegen war mehr Chlor drin.

Das Problem taucht auf, wenn es so heiß ist?

Dann verstärkt. Aber im Prinzip bin ich ein Gegner der Chlorung. Es gibt bessere Methoden zur Desinfizierung.

Welche?

Ozonisierung. Hat auch Probleme, ist aber in der Gesamtbilanz weniger problematisch. Ozon hat den Vorteil, daß es fast keine ekligen Nebenprodukte bringt, die krebserzeugend und erbgutverändernd sind. Es hat dieselbe Desinfektionswirkung. Der Nachteil am Ozon ist, daß die Bakterien im Wasser nachverkeimen können, weil Ozon nach wenigen Minuten zerfällt. Chlor bleibt erhalten, das ist der Sicherheitsfaktor. Das zweite Problem ist, daß das Ozon in der Anlage langsamer desinfiziert: Es braucht zwei Minuten, um die Keimzahl um 100.000 zu verringern, Chlor nur 30 Sekunden.

Wie funktioniert denn eine Ozonisierungsanlage?

Ozon ist genauso giftig wie Chlor, deswegen muß es außerhalb des Beckens zugesetzt werden. Bevor das Wasser im Becken ist, zerfällt das Ozon. fok