piwik no script img

Unheilige Allianz strammer Juristen

■ Im Landgericht Mannheim trafen sich ein rechter Angeklagter, ein rechter Richter und ein rechter Verteidiger

Berlin (AFP/taz) – Die Verhandlung gegen den NDP-Vorsitzenden Günter Deckert beim Landgericht Mannheim war eine Veranstaltung rechter Juristen. Zwar führte Richter Wolfgang Müller das Verfahren, doch auch in diesem Fall ließ er sich leiten von seinem Beisitzer, Richter Rainer Orlet. Ein Mensch von strammer Gesinnung. Schon zu Beginn seiner beruflichen Karriere fiel der heute 59jährige durch unerbittliche Härte gegen Linke auf. Manche Leute denken noch heute mit Schrecken an ihn, der vor 25 Jahren am Amtsgericht Heidelberg den sogenannten „Asta-Prozeß“ leitete.

Damals machte er StudentInnen den Prozeß, die das Rathaus besetzt hatten. Auf der Zuhörerbank saß seinerzeit Gerhard Härdle, Vorsitzender des Verbandes der Gerichtsreferendare. Was ihm an Orlet auffiel, kommentierte Härdle damals so: „Von der ersten Minute an war klar, daß Richter Orlet mit den schärfsten Mitteln die Einhaltung seiner Vorstellungen zum Verfahrensablauf erzwingen und fortgesetzt die Autorität des Gerichts in den Vordergrund stellen würde.“ Einen Angeklagten ließ Orlet damals drei Stunden lang im Stehen zur Sache aussagen. „Raffen Sie mal Ihre letzten Reserven zusammen“, forderte er den Studenten auf. Der Prozeßbeobachter kritisierte Orlets „schikanöse und demütigende Behandlung des Angeklagten“. Zusammenfassend bezeichnete Härdle die Verhandlungsführung des damaligen Amtsrichters als „autoritär“. Ein ums andere Mal schickte Orlet damals Dieter Hildebrandt, einen Apo-Aktivisten, in Ordnungshaft. Runde drei Wochen kamen bis zum Ende des Verfahrens zusammen.

In Mannheimer Antifa-Kreisen gilt Orlet auch heute als strammer Rechter. Die Frankfurter Rundschau kolportiert das Gerücht, Orlet sei als Käufer der Nationalzeitung beobachtet worden. Bestätigt sich die freundschaftliche Nähe zum Zentralorgan der Ultrarechten, dann war eine unheilige Allianz rechter Juristen im Mannheimer Landgericht beieinander.

Der Dritte mit rechtsextremem Drall ist der Verteidiger von Günter Deckert, Ludwig Bock. In den siebziger Jahren führte er die dreißigköpfige Verteidigerriege der Angeklagten im Majdanek-Prozeß an. Am 154. Verhandlungstag trug er den Antrag vor, die ehemalige Lagerinsassin, die Jüdin Ostrowska, wegen Beihilfe zum Mord im Gerichtssaal verhaften zu lassen. Die Beihilfe konstruierte er, nachdem die Frau berichtete, sie habe Blechdosen mit Zyankali vom Lagermagazin zu den Gaskammern tragen müssen. Über die menschenverachtenden Schachzüge juristischer Verteidungsstrategien sagte am 14.3. 1978 der Abgeordnete Seidel in der jüdischen Knesset: „In dem Gerichtsverfahren befinden sich 30 pfiffige Rechtsanwälte. An ihrer Spitze der Nazi Ludwig Bock, der auch heute Mitglied einer neonazistischen Partei (NPD, d.Red.) ist. Sie versuchen, die Ruhe der am Leben gebliebenen Zeugen zu erschüttern.“

In der kommenden Woche tritt das Duo Bock/Deckert wieder vor Gericht auf. Am Freitag um 8.30 Uhr muß sich Deckert beim Landgericht Mannheim zum Vorwurf der Beleidigung äußern. roga

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen