■ Seitenstich
: Sauber blei'm!

Die Norddeutschen können nicht feiern, hieß es in meinem bayerischen Elternhaus. Ich liebe Norddeutschland und widersprach in meinem jugendlichen Trotze stets heftig, doch die gestrige Eröffnung des Bremer Sommers war ein schlagender Beweis: es stimmt halt doch. Da hoffte ein Eröffnungsredner vor 20 Zuhörern wortreich um schönes Wetter, für „unser internationales Fest“, während ringsum die Budenbesitzer noch eifrig an ihren Ständen werkelten. Nur ein paar Wurstbratereien, Creperien und Bierschänken warteten schon dienstfertig auf Kundschaft. Ein eindrucksvoller Beleg, daß es „im Bremer Sommer nicht nur ums Essen und Trinken, sondern vor allem auch um die Kultur geht“, wie uns der Redner mit vor dem Bauch gefalteten Händen wissen ließ.

Ich habe es oft verabscheut, aber es macht doch einfach mehr her, wenn der Münchner Oberbürgermeister den zum Oktoberfest versammelten Völkerscharen ein kurzes „ozapft is“ zubrüllt und aus 1000 wohlbefeuchteten Kehlen ein „Prosit der Gemütlichkeit“ entgegendringt und die Blaskapelle schmettert. Wenn schon ein Volksfest, dann muß es doch rumpeln und scheppern. Vor dem Bremer Roland bittet dagegen der nächste Redner (ist es der Vertreter der Bürgerschaft?), daß die Nachbarn Verständnis haben mögen, wenn es ein bißchen lauter werde als sonst. Gibt es denn rings um den Rathausplatz überhaupt eine einzige Mietwohnung? Doch schon im nächsten Moment zerstreut dieser Redner seine eigenen Befürchtungen wieder: „Aber unser historischer Ehrenbürger, der Bremer Roland wird darüber wachen, daß alles sauber bleibt und anständig.“ Was für ein Frohsinn sich da mitteilt! Und dann wird der arme Roland auch noch für die political correctness bemüht: „Bei unserem Internationalen Sommer sollen Inländer und Ausländer ein Beispiel der Friedlichkeit miteinander geben. So daß unser Roland sagen kann: so müßte es immer sein.“ Die Australier, Dänen, Holländer, Iren und Israelis, die alle mit schweren bremischen Akzent sprechen, schenken inzwischen lustlos das erste Bier aus, während die 20 Zuhörer pflichtschuldig den letzten Worten des Festredners zunicken.

In Straubing habe ich einmal erlebt, wie bei der Eröffnung des Gäubodenfestes ein Einheimischer mit der Inbrunst eines orientalischen Märchenerzählers seinem türkischen Banknachbarn vom Glanz vergangener Festtage vorschwärmte: von den vertilgten Hektakomben Bier und den zünftigen Raufereien. Dann spielte die Blaskapelle ein Schunkellied und die beiden Nachbarn wiegten sich eingehakt im Takt der Melodie und stemmten am Schluß ihre Maßkrüge in die Luft. Es war vulgär, verschwitzt und schön.

Alois Bierl