Hess-Demo bleibt verboten

■ Was tun, wenn die Nazis sich trotzdem treffen? Präventivhaft?

Der vom Bremer Neonazi Markus Privenau für heute beantragte Hess-Gedenkmarsch bleibt verboten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) entsprach am Freitag dem Beschluß des Verwaltungsgerichtes, gegen den Privenau am 10.8. Beschwerde eingelegt hatte. Begründung: „Die drohende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erreicht einen Grad, der das vollständige Verbot der geplanten Versammlung auch gegenüber dem hohen Rang des Grundrechts der Versammlungsfreiheit rechtfertigt.“

Anders als von der zur Gegendemo aufrufenden Gruppe Lego (Linke Einheit gemeinsam organisieren) behauptet, stellt das OVG in seiner Begründung nicht allein auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ab. „Die geplante Hess-Veranstaltung“, heißt es im OVG-Schreiben, „ist auf unkritische Glorifizierung angelegt. Über die ... kritiklose und geschichtswidrige Idealisierung wird ... eine nationalsozialistische Propaganda erzielt. Der Antragsteller sollte schon verstehen, daß das die Menschen empört.“ Privenau habe während des gesamten gerichtlichen Verfahrens versucht, die Verantwortlichkeit für mögliche gewaltsame Auseinandersetzungen der Gegenseite zuzuschreiben. „Der Antragsteller sieht nicht, oder gibt vor, nicht zu sehen, daß er dazu provoziert.“

Was aber passiert, wenn die Neonazis sich doch am Samstag zu einer Kundgebung treffen? Die ganze Republik macht sich darüber Gedanken, nachdem schätzungsweise bundesweit mehr als 30 Demos angemeldet und verboten wurden. Einige davon unter Tarnnamen, in Aurich beispielsweise meldeten die Nazis eine Kundgebung unter dem Motto –Stop dem EG-Wahn'an. Nach Erkenntnissen der Behörden wollen die Neonazis ihre Aktionen auf die ganze Woche ausdehnen, sodaß auch am nächsten Wochenende mit Aufmärschen zu rechnen sei. Was also tun?

Hermann Lutz, Leiter der GDP (Gewerkschaft der Polizei), fordert ein generelles bundesweites Verbot von Demonstrationen für Gedenktage. Bayerns Innenminister Beckstein sprach sich gar dafür aus, die in Bayern und Sachsen gängige Praxis der Präventivhaft, bei der Verdächtige bis zu 14 Tage lang festgesetzt werden können, bundesweit einzuführen.

Ein Gedanke, den Bremens Sprecher der Deputation für Inneres, Ralf Bortscheller (CDU), gar nicht so abwegig findet. Zwar gebe die gegenwärtige Gesetzeslage keine 14 Tage her, aber jemanden präventiv festzunhmen, hält Bortscheller für vernünftig: „Wenn sich in Bremen Rechtsradikale zu einer Hess-Demonstration verabreden, dann würde ich die präventiv kassieren. Da müßten das Innenressort und der Polizeipräsident mal mehr Mumm aufbringen und sich eventuell auch auf eine gerichtliche Auseinandersetzung einlassen.“

Als „Gesinnungsstrafrecht“ bezeichnet dagegen Frank Lutz, Fraktionssprecher der CDU und Mitglied der Justizdeputation den Vorschlag aus Bayern. Der Alt-68er erinnert eigene Erfahrungen, wenn er warnt: „Es darf sich auf keinen Fall durchsetzen, daß jemand nur wegen seiner Gesinnung in Haft genommen wird.“ Horst Heyn, derzeit Pressesprecher des Innensenators, ist derselben Meinung.

Man könne niemanden festnehmen, so Heyn, nur weil er Neonazi sei. Es müßten schon konkrete Anhaltspunkte, gravierende Verdachtsmomente für eine Straftat vorliegen, um einen Unterbindungsgewahrsam zu rechtfertigen. Der ist in Bremen theoretisch möglich, und zwar maximal 24 Stunden. Doch die Hürden zur Anwendung dieses Paragraphen im Polizeiaufgabengesetz seien so hoch, daß er hier seit seiner Existenz noch nie herangezogen wurde.

Was also wird die Polizei am Samstag tun, falls die Neonazis kommen? „Dann lösen wir die Demo auf“, antwortet Horst Heyn. Dabei gebe es eine ganze Reihe von polizeilichen Maßnahmen im Rahmen des Versammlungsgesetzes sowie anderer Vorgaben. Dieselben Maßnahmen werden sich auch gegen die TeilnehmerInnen der Gegenkundgebung richten.

Am späten Freitagnachmittag entschloß sich das Stadtamt nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, die Lego zum Rückzug ihres Antrages zu überreden, auch die für Samstag, 9 Uhr auf dem Ziegenmarkt geplante Antifa-Kundgebung zu verbieten. Begründung: Die Anwendung von Gewalt sei nicht auszuschließen. anr/dah