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„Urlaub zum Nulltarif“

■ Time-sharing-Angebote erweisen sich häufig als Nepp

Die Winzerin hatte keine Zweifel: „Das klingt doch sehr überzeugend.“ Nach viereinhalb Stunden Verkaufsshow setzte sie ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag. Für 17.000 Mark erwarben sie und ihr Mann lebenslanges Nutzungsrecht für ein Appartement in einer südspanischen Ferienanlage.

Schon zwei Tage später gingen dem Ehepaar die Augen auf: Die Firma aus dem Raum Frankfurt hatte sie nach Darstellung ihres Anwaltes nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Denn der Traum vom „Urlaub zum Nulltarif“, mit dem das Unternehmen zum Einstieg in das sogenannte Time-sharing (Ferienwohnrecht) animiert hatte, platzte beim genauen Nachrechnen schnell. Mit der Kaufsumme samt Nebenkosten wäre jedes Jahr ein luxuriöser Pauschalurlaub drin gewesen.

Nach einer Modellrechnung der Zeitung Finanztest zahlt beispielsweise der Inhaber von zwei Wochen Wohnrecht in einer Ferienanlage auf Lanzarote/Spanien mit jeweils einem Urlaub auf Tauschbasis in Hawaii, Österreich und der Dominikanischen Republik nach fünf Jahren 8.655 Mark mehr als für einen gleichwertigen Aufenthalt auf Pauschalurlaubsbasis. In die Gegenüberstellung flossen jährlich anfallende Nebenkosten der Wohnrechtsinhaber von 800 bis 1.100 Mark, Anreise- und Verpflegungskosten von insgesamt 8.000 Mark sowie Tauschgebühren zwischen 387 und 600 Mark ein.

Dabei wollte das Paar nur den versprochenen Gutschein für „eine Woche Gratis-Urlaub in einem Fünf-Sterne-Hotel ihrer Wahl in Europa“ abholen. Den hatten die Eheleute bei einer angeblichen Verlosung nach einer Umfrage über Urlaubsverhalten „gewonnen“. Doch statt der Prämie empfing sie das Verkaufsteam – psychologisch geschult, um Leute wie das Ehepaar „weichzukneten“, wie Lore Herrmann-Karch von der Verbraucherzentrale Rheinland- Pfalz in Mainz aus Erfahrung weiß.

Der Nepp mit Ferienwohnrechten greift nach Erkenntnissen der Verbraucherschützer immer mehr um sich. Zwar werden schon seit den sechziger Jahren Appartements mit zeitlich begrenztem Nutzungsrecht angeboten, seit rund drei Jahren jedoch greifen Firmen zu immer aggressiveren Vermarktungsmethoden. Allein in Rheinland-Pfalz suchten 1993 rund 600 geneppte Kunden beim Verbraucherschutz Rat.

Nach Erfahrungen der Verbraucherschützer gibt es drei gängige Methoden der Kunden-Akquisition: fingierte Umfragen per Post mit angeblichen Lotteriegewinnen, die Kontaktaufnahme auf Supermarkt-Parkplätzen und die Ansprache von Paaren und Familien in Urlaubsorten. Dabei tarnen sich die Schlepper meist als seriöse Marktforscher. Alle drei Methoden zielen darauf ab, die Kundschaft in das nahe gelegene Firmenbüro oder die zu vermarktende Clubanlage zu locken, wo gewiefte Mitarbeiter die Klientel „weichklopfen“. Von denen, die dort landen, unterzeichnen angeblich zwischen 18 und 22 Prozent einen Time-sharing-Vertrag.

Gelackmeiert sind in der Regel Kunden, die im Ausland Time- sharing-Verträge unterschrieben haben. In solchen Fällen, so betonen Verbraucherschützer, bestünden rechtlich kaum Möglichkeiten, aus dem Vertrag wieder herauszukommen. Inzwischen beginnt sich jedoch der juristische Wind zu drehen. Eine Reihe – zum Teil auch hochrangiger – Gerichte vertritt die Auffassung, daß es sich bei den Verkaufsveranstaltungen um sogenannte „Freizeitveranstaltungen“ handelt, die einen Widerruf der unterzeichneten Verträge nach dem Haustürwiderrufsgesetz (OLG Düsseldorf — AZ.: 2 U 156/92) erlaubt. Und der Bundesgerichtshof erklärte unlängst die Verkaufsmethoden und Verträge eines Time-sharing-Vermarkters – der Firma Gemünder Freizeitpark Salzberg Hoch und Prissner GmbH – für sittenwidrig (AZ.: V ZR 63/93).

Die Kommission der Europäischen Union bereitet derzeit eine Richtlinie vor, die gutgläubige Kunden vor den Folgen vorschneller Entscheidungen schützen soll. So ist vorgesehen, Kunden ein Rücktrittsrecht innerhalb von zehn Kalendertagen einzuräumen. Bei Objekten im Ausland sollen die Unterzeichner sogar 28 Tage Zeit haben, von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Zuvor dürfen die Anbieter von den Kunden keine Anzahlung verlangen. Klaus Tscharnke (dpa)

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