Aufmarsch der Diktatoren in Guatemala

Am Sonntag wird in dem lateinamerikanischen Land gewählt / Die Kandidatenlisten verheißen nichts Gutes / Die besten Chancen hat Ex-Diktator Efrain Rios Montt  ■ Aus Guatemala-Stadt Ralf Leonhard

Den Guatemalteken ist nicht zu helfen. Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls die Kandidatenlisten für die Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen. Wenn die letzten Umfragen sich nicht als extrem verzerrt erweisen, wird der ehemalige Diktator Efrain Rios Montt in einem Monat als Ministerpräsident vereidigt werden. Denn seine Republikanische Front Guatemalas (FRG) kann sich eine satte Mehrheit, wenn nicht gar die absolute Mehrheit im künftigen Kongreß ausrechnen. Mit dem Slogan „Sicherheit, Wohlstand, Gerechtigkeit“ operiert der General i.R. bewußt mit der Erinnerung an seine sechzehnmonatige Diktatur 1982/83. Jenen, die nicht politischer Verfolgung ausgesetzt waren, ist die Zeit als Epoche großer Sicherheit in Erinnerung. Delinquenten wurden von Geheimgerichten abgeurteilt und füsiliert, die Guerilla durch die systematische Liquidierung ihrer sozialen Basis zurückgedrängt. Das Parteisymbol der FRG – eine zum Schwur erhobene weiße Hand auf blauem Hintergrund – ist dasselbe, das sich während Rios Montts Antikorruptionskampagne alle Staatsbeamten an die Brust heften mußten. Damals war die Aussage: „Ich stehle nicht, ich lüge nicht, ich mißbrauche mein Amt nicht.“

Der Amtsmißbrauch und die Korruption im Parlament sind der Grund für die Wahlen. Präsident Jorge Serrano trat im Januar 1991 gleichzeitig mit einem stark zersplitterten Parlament sein Amt an. Seine Partei, die (von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung gesponserte) Bewegung für soziale Aktion (MAS), mußte immer wieder mit anderen Parteien paktieren, um Serrano ein Mindestmaß an Regierungsfähigkeit zu sichern. Doch die Abgeordneten ließen sich ihre Stimmen immer teurer abkaufen. Das Faß lief über, als der Staatschef für einen Privatisierungsbeschluß in der Energiewirtschaft, der ihm persönlich bedeutende ökonomische Gewinne versprach, die immer höheren Forderungen der Parlamentarier nicht mehr erfüllen wollte und keine Mehrheit zustandebrachte. Auf Anraten der Militärs löste er das Parlament auf und schaltete den Obersten Gerichtshof und den Menschenrechtsobmann aus. Nach einer turbulenten Woche, in der sich praktisch alle wirtschaftlichen und sozialen Kräfte gegen den Diktator zusammenschlossen, mußten auch die Parlamentarier eingestehen, daß sie einen Teil der Schuld an der Krise trugen. Gleichzeitig mit der Wahl eines Nachfolgers für den nach Panama geflüchteten Serrano beschloß das Hohe Haus eine Art Selbstreinigung von korrupten Elementen. Doch da kein überparteilicher Mechanismus dafür geschaffen wurde, konnten sich die Abgeordneten ihrer Entfernung aus dem Hohen Haus widersetzen. Präsident Ramiro de Leon Carpio mußte im Januar mittels Volksbefragung eine vorgezogene Wahl und die Verkleinerung des Parlaments von 116 auf 80 Sitze durchsetzen. Eine politische Notwendigkeit, denn wegen der monatelangen Streitereien im Kongreß liegen alle wichtigen Gesetzesvorhaben auf Eis.

Mit dem künftigen Parlament hofft der Staatschef leichter zurechtzukommen, denn dort wird es voraussichtlich klarere Mehrheitsverhältnisse geben. Rios Montts FRG und die dem modernen Unternehmertum nahestehende Partei der Nationalen Aktion (PAN) werden voraussichtlich mehr Sitze erobern als alle übrigen zwölf Parteien. Obwohl die Bevölkerung dem Ereignis mit großer Gleichgültigkeit entgegensieht und selbst die Regierung nicht mit mehr als 30 Prozent Wahlbeteiligung rechnet, kommt dem Interimsparlament, das nur bis Januar 1996 amtieren wird, eine zentrale Bedeutung zu. Denn ihm werden alle Verfassungsreformen und Gesetze obliegen, die aus dem Friedensvertrag mit der Guerilla resultieren, der noch im Dezember dieses Jahres unterzeichnet werden soll.

Es ist zu erwarten, daß die Mehrheitsfraktion der FRG ihre Stimmen nur dann verpflichtet, wenn die Regierung jenen Artikel der Verfassung reformieren läßt, der die Kandidatur von ehemaligen Diktatoren für die Präsidentschaft verbietet. General Rios Montt hätte wahrscheinlich 1990 die Wahlen gewonnen, wenn ihm nicht das Verfassungsgericht unter Berufung auf diesen Artikel einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.

Die Schmach soll sich nicht wiederholen. Deswegen hat Montt unter seinen Kandidaten für das Parlament nicht nur einen ehemaligen Chef des militärischen Geheimdienstes, sondern auch zwei renommierte Anwälte.

Es sei paradox, daß in einer Phase der politischen Öffnung viele Parteien auf ehemalige Militärs als Kandidaten zurückgriffen, meint Hector Rosada, der Chef der staatlichen Friedenskommission. Neben Rios Montt und dem General i.R. Oscar Mejia Victores, der ersteren vor elf Jahren stürzte, finden sich weitere fünfzehn ehemalige Militärs auf den Listen. Da es zu den diskreditierten Parteien keine für die Bevölkerungsmehrheit attraktive Alternative gibt, können die Diktatoren jetzt auf völlig legalem Weg an die Macht zurückkehren.