Öffentliche Debatte erzwang Revision

Die USA wollen das Bosnien-Waffenembargo notfalls einseitig aufheben, wenn die bosnischen Serben den Teilungsplan der Kontaktgruppe nicht bis zum 15. Oktober unterzeichnet haben  ■ Aus Split Erich Rathfelder

Am 15. Oktober soll es nun doch noch geschehen. Wenn bis dahin die serbische Seite dem Plan der „Kontaktgruppe“ zur Aufteilung Bosniens nicht zustimmen sollte, „dann werden die USA das Waffenembargo gegen Bosnien aufheben“ – selbst wenn der UN- Weltsicherheitsrat dem nicht zustimmen würde, so der amerikanische Präsident Bill Clinton gestern in Washington. Damit findet in den USA eine langanhaltende Debatte ein Ende, die im Frühjahr dieses Jahres zunächst den Senat und dann auch das Repräsentantenhaus bewogen hatte, die Aufhebung des Embargos zu fordern. Erste Reaktionen aus Sarajevo deuten darauf, daß in der bosnischen Hauptstadt die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten ernst genommen wird. Die USA wüchsen immer mehr in die Rolle einer Schutzmacht für Bosnien, so die Zeitung Oslobodjenje.

In der Tat wurde das Waffenembargo, das der UN-Weltsicherheitsrat am 25. September 1991 in der Resolution 713 gegenüber allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens ausgesprochen hatte, von allen politischen Kräften in dem von der bosnischen Regierung kontrollierten Gebiet Bosnien-Herzegowinas als ungerecht empfunden. Denn letztendlich hatte die Maßnahme seit Beginn des Krieges in Bosnien im April 1992 lediglich gegenüber jenen funktioniert, die sich gegen die angreifenden serbischen Truppen verteidigen mußten. Schon zu Beginn der Kämpfe war es der serbischen Führung gelungen, die Arsenale der „Jugoslawischen Volksarmee“ fast vollständig unter Kontrolle zu kriegen. Zudem liegt der größte Teil der Rüstungsindustrie Ex-Jugoslawiens in den serbisch besetzten Gebieten Bosniens. Das Waffenembargo gegenüber der benachbarten Republik Serbien war somit von Anfang an wirkungslos. Seit 1991 konnten serbische Waffen sogar ins Ausland exportiert werden.

Die Ausgangslage macht verständlich, warum die serbische Diplomatie das Embargo, wenn nicht offen, so doch im Hintergrund unterstützte. Die kroatische Führung hingegen protestierte zunächst heftig gegen die Resolution 713. Mit der Konsolidierung des kroatischen Staates gelang es jedoch nach und nach, Wege und Möglichkeiten zu finden, das Ein- und Ausfuhrverbot zu unterlaufen. Heute ist die kroatische Armee zwar nicht in allen Waffengattungen, jedoch zumindest bei den Landstreitkräften gut ausgerüstet. Es gelang sogar, italienische Leopard-Panzer modernster Bauart zu beschaffen. Im April 1992 erklärte der kroatische Außenminister Mate Granić dann öffentlich, Kroatien werde die Embargo-Resolution von nun an respektieren – und das Waffenembargo gegenüber Bosnien durchsetzen. Kurz darauf griffen Einheiten der kroatischen Miliz in der Nachbarrepublik, die durch „Freiwillige“ aus Kroatien verstärkt worden waren, die bosnische Armee in Zentralbosnien und Mostar an.

Das Ziel der serbischen und kroatischen Führungen, Bosniens Aufteilung zu erzwingen, wurde durch die Aufrechterhaltung des Embargos unterstützt. Alle Versuche der bosnischen Regierung, eine Aufhebung der Resolution 713 zu erreichen, scheiterten im Weltsicherheitsrat am Widerstand Rußlands, Chinas und Großbritanniens. Erst die öffentliche Debatte in den USA erzwang nun eine Revision der US-Politik, die doch schon zu Zeiten der Bush-Administration das Waffenembargo befürwortet hatten. Mit dem serbischen Angriff auf das ostbosnische Goražde im April 1994, der das Versagen der UNO, die Menschen in den bosnischen UN-Schutzzonen zu schützen und die waffentechnische Unterlegenheit der bosnischen Armee vor aller Welt deutlich machte, wurden die Weichen für die folgenden Entscheidungen in den beiden Kammern der US-Parlamentes gestellt. Unterdessen werden nach Meinung militärischer Beobachter schon seit der Bildung der bosniakisch- kroatischen Föderation auch schwere Waffen an die bosnische Armee geliefert.