Gelegentlich heiter

SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping auf Tour durch den Osten / Nach der PDS fragte niemand  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Wahlkampf soll es nicht sein, was den SPD-Bundeskanzlerkandidaten in den Osten treibt. Rudolf Scharping, der Urlauber, unternimmt eine „Sommerreise durch Deutschland“. Mit ihrer Kampagne wollen die Sozis erst am 4. September beginnen. Also zählt Scharping am Donnerstag den staunenden Dresdnern vor: „Seit dem Fall der Mauer bin ich jeden Monat einmal in den neuen Ländern gewesen; ein, zwei Tage Minimum.“ Diese Reise wolle er nun wieder nutzen, um „mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“.

Der gute Vorsatz fällt in der sächsischen Landeshauptstadt erst mal ins Wasser. Scharpings Stadtrundgang wird vom ersten Regenguß des Dürresommers weggespült. Doch als am Nachmittag vom Elbekai der Schaufelraddampfer „Leipzig“ ablegt, scheint schon wieder die Sonne. Für fünf Mark sind die Dresdner dabei: eine Dampferfahrt mit Rudolf Scharping und mit dem SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Karl-Heinz Kunckel. Einmal Dresden–Pirna und zurück, mit Dixieland und Talk.

Zuvor hatte der Parteivorsitzende mit den SPD-Fraktionschefs und -Ministerpräsidenten klar Schiff gemacht: Die PDS sei „die Partei der folgenlosen populistischen Versprechen“ und kein Partner für die Zusammenarbeit, so die „Dresdner Erklärung“. Bleibt nur die Ermessensfrage, wo nun diese „Zusammenarbeit“ beginnen würde. Der Sachse Kunckel kann sich gut vorstellen, einzelnen PDS- Initiativen im Parlament zu folgen, wenn sie den eigenen politischen Zielen entsprechen. Doch bis zu einer „koordinierten, politischen Zusammenarbeit“ soll das nicht gehen. Magdeburgs Regierungschef Reinhard Höppner spricht seiner Regierung jeden „Modellcharakter“ ab, Scharping will sich nie und nimmer von PDS-Abgeordneten zum Kanzler wählen lassen.

Nach der PDS fragt auf dem Dampfer niemand. Scharping schüttelt die Hände der GenossInnen und teilt Mut aus. Wir werden das schon schaffen“, gibt er einem älteren Mann auf den Weg, „aber ihr müßt alle mithelfen.“ Der Angesprochene nickt erfreut und bedankt sich: „Die Rede von Halle“, bestätigt er seinem neuen Kanzler, „die hat endlich den Eindruck erweckt, daß es nun richtig losgeht.“ Andere haben noch Wünsche offen: „Die CDU müßt ihr schärfer angreifen.“ Ein Vorschulsteppke mit Scharping-Foto wird quer über den Tisch zum Vorsitzenden gehoben. Als der Junge mit dem Autogramm zurückkehrt, fragt er die Eltern: „Wie heißt denn der Mann?“

Der hölzerne Kandidat gibt sich locker und gelegentlich heiter. Im blaßblauen Hemd, mit einer unnachahmlich zeitlupenhaften Gestik kommt er gut an bei den gemütlichen Sachsen. Er spricht über Arbeitsplätze und die Ausbildung der Jugend, über Entschädigung vor Rückgabe und bezahlbare Wohnungen. Zur PDS sagt er nur eins: „Mich interessieren die Probleme der Menschen viel mehr als die Polemik zwischen den Parteien.“ Da bekommt Rudolf Scharping den ersten Beifall an Bord. Aber damit es später, an Land in der Wahlkabine, keine Irrtümer gibt, fügt er hinzu: „Jede Stimme für die PDS ist eine Stimme gegen den Regierungswechsel. Das sagt bitte weiter.“

Den zweiten Beifall kassiert er, als er sich zum Deckert-Urteil von Mannheim äußert. „Empörend“, sei dies, weil es die Rechtsextremisten und ihre Mitläufer ermutige. Scharping wird ausgefragt nach Wehrpflicht und Tempo 130, nach Arbeitsmarkt und Wohnungsbau. In den Antworten klingt nichts nach Großer Koalition: „Wo Kohl in der Wanne sitzt, ist doch kein Platz mehr.“ Und die FDP wird aus der Debatte gleich mit entsorgt: „Der Hilfsmotor ist abgesoffen, und wir werden ihn nicht ersetzen.“ Zu den Bündnisgrünen sagt der Kandidat nichts.

Nach knapp zwei Stunden legt der Dampfer in Pirna an. Am Kai stehen immerhin 500 SPD-Sympathisanten. Und hocherfreut, daß es so viele sind, redet Scharping auf dem Marktplatz so, als wäre er schon morgen Kanzler. Detlef Krell