Zwei Schritte fehlten der Quasselstrippe

■ Altona 93 verliert im DFB-Pokal unglücklich 0:2 gegen enttäuschende Dortmunder Borussia

Drei Klassen Unterschied liegen zwischen Ober- und Bundesliga – normalerweise. Manchmal sind es aber auch nur zwei Schritte. Eben diese kam Andreas Popp zu spät – gewiß nicht viel, aber ausreichend für seinen Gegenspieler Karl-Heinz Riedle, um dem Manndecker von Altona 93 zu entwischen. Eine kleine Unachtsamkeit mit weitreichenden Folgen: Der Stürmer von Borussia Dortmund nutzte seine einzige Chance im DFB-Pokalspiel am Sonnabend nachmittag konsequent und erzielte nach 20 Minuten das 1:0 für die Westfalen.

Dabei wäre der für die spätere 0:2-Niederlage vorentscheidende Treffer leicht zu verhindern gewesen. „Er hätte nicht quatschen sollen“, gab 93-Trainer Dieter Schatzschneider seinem Schützling einen eindeutigen Fingerzeig. Also: Diskutiere nicht mit dem Schiedsrichter über eine kurz zuvor erhaltene gelbe Karte, sondern widme dich deiner eigentlichen Aufgabe. Zum Sündenbock stempelte Schatzschneider die Quasselstrippe dennoch nicht, ganz im Gegenteil: „Popp war einer der besten.“

Vielleicht sogar der beste, aber einen Spieler herauszuheben, war nicht im Sinne Schatzschneiders. Der ehemalige Bundesligastürmer vom HSV und Hannover 96 beließ es beim pädagogisch wertvolleren Kollektivlob. Zu Recht. Die gesamte Mannschaft hatte vor fast 10.000 Zuschauern (Reingewinn 50.000 Mark) in der Adolf-Jäger-Kampfbahn den Bundesligisten an den Rand einer Niederlage gebracht. Aber nur an den Rand, denn in den wichtigen Momenten waren die Amateure zu überhastet oder ihnen fehlte das Glück. Wie auch nach genau einer Stunde, als der Unparteiische Lutz Pohlmann ein klares Foulspiel von Dortmunds Libero Julio Cesar an Andreas Prohn übersehen hatte. Der Elfmeterpfiff blieb aus, doch dafür blies Schatzschneider nach dem Spiel die Backen umso stärker auf: „Der Schiedsrichter hatte zuviel Respekt vor Dortmund.“

Nämliches kann von seiner Mannschaft nicht behauptet werden. Angetrieben von der ungewohnt großen Fanschar („Möller raus! Cesar raus!“), ließen die 93er ungeahnte Fähigkeiten erkennen. „Wir mußten in der zweiten Halbzeit zehn bange Minuten überstehen“, machte Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld aus seinem Herzen keine Mördergrube, „ich wurde da ziemlich nervös.“ In dieser Phase blickte der 45jährige noch grimmiger drein, wirkte noch verkniffer, als er es eh schon ist.

Die Reaktion war verständlich, brachte sein BVB 09 doch nur wenig zustande. Die Abwehr glich über weite Strecken einem Tollhaus: Libero Julio Cesar, der vier Minuten vor Schluß das 0:2 erzielte, wirkte oft überfordert. Dies hielt Hitzfeld jedoch nicht davon ab, den Brasilianer zum „besten Mann auf dem Platz“ zu küren. Auch die Pässe von Andreas Möller fanden ebenso selten ihr Ziel wie die Flanken von Stefan Reuter, es sei denn die Bälle sollten in der Stehplatzkurve bzw. an der Eckfahne landen. Engagiert waren die Gäste nur nach dem Abpfiff, als sie den Platz vor den heranstürmenden Fans fluchtartig verließen. Auch Hitzfeld hatte es ziemlich eilig, Alltoonaa, wie er es nannte, den Rücken zu kehren. Die Underdogs hingegen ließen sich gerne huldigen. Dies war vermutlich der wahre Unterschied an diesem Tag.

Clemens Gerlach