Dadadadedada!

■ Betroffenheitsliteratur: Bremer Kinderarzt hat einen Comicband zu den Nöten frischgebackener Eltern verfaßt

Glaubt man Dr. Crasemann, bringt die Ankunft eines neuen Erdenbürgers in der modernen Kleinfamilie vor allem ein Problem mit sich: Die Eltern werden ab sofort beim Telefonieren gestört. Während Mechthild mit Mara telefoniert, räumt der süße Kleine (“dadadedada“) den Blumenkübel aus, plärrt entsetzlich, fingert an der Steckdose und sabotiert so jeden erwachsenen Telefonkontakt.

Dr. Crasemann ist Bremer Kinderarzt und Vater zweier Kinder (Tochter von vier Jahren, Bub von 1 3/4) sowie ein nicht unbegabter Cartoonist. Zusammen mit seiner Frau, Martina Hansen, hat er jetzt ein Büchlein herausgegeben, das jungen (und oftmals verzweifelten, depressiven, zähneknirschenden, amoklaufenden und völlig aufgelösten) Eltern Trost und Hoffnung verspricht. Die Lektüre von „Alle Nächte wieder“ kann der erste Schritt zur Besserung sein, denn die gestreßten Väter und Mütter („Genau so ist es!“) stellen in bester Selbsthilfetradition fest: Anderen geht es ebenso. Wir sind nicht ganz allein!

Vielleicht ist es die doppelte Qualität der Diskurse, die einfach komisch ist: Für die Eltern geht es um existenzielle Sorgen – von außen dagegen wirken die Reden mit dem hohen Wiedererkennenswert ausgesprochen banal. Nehmen wir ein zentrales Thema wie die Frage: Ist das Kind warm genug angezogen? Ein Fall für den Endlosdisput (“Die Windjacke hätte ja genügt“ – „Du wolltest ihm sogar noch ein Wollhemd anziehen“ – „Ja, aber ohne Wolljacke“ – „Damit sich das Kind den Tod holt!“), der umso länger dauert, je intensiver sich der Neue Vater ins Aufzuchtgeschäft einmischt. Und weil man über nichts so gern lacht wie über angstbesetzte Themen, nimmt der Stoff für den Cartoonisten seit Jahren kontinuierlich zu. Crasemann weiß aus eigener Erfahrung und seiner Kinderarztpraxis: Die Nöte nehmen zu, seit jede Blähung und jeder Schrei aus einem Kinderhals einer Interpretation bedürfen. Früher habe man einfach die Tür zugemacht.

Crasemann, der schon als Student den Comic als Waffe gegen arrogante Mediziner einsetzte, weicht selbst heiklen Fragen nicht aus. „Sexualität“ heißt sein vorletztes Kapitel: „Erstaunlicherweise erlöscht mit der Geburt des Kindes für einige Zeit jeglicher Drang nach sexueller Befriedigung.“ Wenn die Großen sich dann alle Jahre wieder mal einen Ruck geben (“Loß! Verführ mich!“ – „Na gut...“) steht mit Sicherheit umgehend der kleine Schatz in der Tür. Aus eigener Erfahrung übrigens muß Crasemann Eltern mit dem ersten Kind emttäuschen – das wird nach dem zweiten nicht besser.

Burkhard Straßmann

Hendrik Crasemann / Martina Hansen: „Alle Nächte wieder - Ratgeber für moderne Schwangerschaft, sanfte Geburt und schlaflose Nächte“ ist im Mai im Jungjohann Verlag (Neckarsulm / Stuttgart) erschienen und kostet 16,80 Mark.