Verschwörungsopfer Berlusconi

■ Italiens Regierung will von ihren Mißerfolgen ablenken

Rom (taz) – Für Italiens Arbeitsminister Clemente Mastella steckt hinter Lira-Verfall und Regierungspleiten, mangelndem Vertrauen in die Administration Berlusconi und steigenden Zinsen nur eine Kraft: die „jüdische Weltverschwörung“. Sie manipuliere die Kurse, ziehe Kapital aus dem ökonomisch gesunden Land ab und halte die Investoren anderer Länder, ja ganze Regierungen davon ab, der Regierung die verdiente Unterstützung zu gewähren.

Regierungschef Silvio Berlusconi äußerte sich bisher nicht zu den Ausfällen seines Ministers. Und das sei, so La Repubblica, „der eigentliche Skandal“. Unerwartet kommt das Schweigen des Ministerpräsidenten freilich nicht. Auch der sieht allerorten Verschwörungen und seine Mitregenten tun es ihm gleich. Komplotte ortet Berlusconi bereits seit seinem Eintritt in die große Politik vor knapp einem Dreivierteljahr. Zuerst war es die ausländische Presse, speziell die linke, die partout nicht einsehen wollte, welch hohes Gut es für ein Land sei, wenn „der erfolgreichste Unternehmer“ (Berlusconi über Berlusconi) die Geschicke in die Hand nimmt. Insbesondere die hartnäckigen Fragen US-amerikanischer und deutscher Journalisten nach der Bindung Berlusconis an aufgeflogene illegale Geheimloge „Propaganda 2“ zeigten laut Berlusconi den „Geruch des Komplotts gegen mich“.

Wenig später sichtete Berlusconi die Komplottschmiede an anderer Stelle: die Unternehmer seien es, speziell die Industriellen. Denn sie hielten den Einzug des Fernsehmoguls nicht schon automatisch für eine Garantie eines Wirtschaftsbooms. Inzwischen sind Verschwörungen im Dutzend zu haben. Mal stecken die Komplotteure in Brüssel, wo frankophile Bürokraten den Nachbarn aus dem Südosten kaputtmachen wollen, mal in Deutschland, wo unbelehrbare Antifaschisten den Rechtsauslegern in Berlusconis Regierung mißtrauen. Sogar der „König von Preußen“ wird bemüht. Für den arbeite wohl der Ligen-Vorsitzende Umberto Bossi, mußtmaßte der Führer der mitregierenden Neofaschisten, Gianfranco Fini, als sein Mitkoalitionär die Wirtschaftspolitik „schwächlich bis inexistent“ nannte.

Am Wochenende hat Berlusconi erneut die Presse als Hauptfeind denunziert. Statt den „überall sichtbaren Wirtschaftsaufschwung“ zu loben, hätten die Wadenbeißer der Zeitungen durch die Bank die Nachricht zum Aufmacher gemacht, daß Berlusconi die Bestechung von Finanzbeamten durch seine Manager einräumen mußte. Weitere Beweise? Berlusconi warf einen schnellen Blick auf die mitgebrachten Spickzettel, lehnte sich grinsend zurück und erzählte einen Witz: Auf einer Bootsfahrt fällt dem Papst sein Brevier ins Meer. Er bittet den mitrudernden Berlusconi, es ihm zurückzuholen. Der springt hinaus, läuft über das Wasser und holt das Büchlein zurück. Am nächsten Tag steht in den großen italienischen Zeitungen als Aufmacher: „Dieser Berlusconi – nicht mal schwimmen kann er.“ – „O Gott“, stöhnte da der angesehene Politkommentator Giorgio Bocca, „hat er denn nichts anderes zu tun, als sich täglich neue Feinde zu machen? Wie wär's, wenn er wenigstens einmal die Woche versuchen würde, wirklich zu regieren?“ Werner Raith