Hunderttausende beim Kreuzzug gegen Kondome

■ Katholische Kirche in den Philippinen demonstriert gegen Bevölkerungspolitik

Berlin (taz) – Mehrere hunderttausend Menschen haben am Sonntag nachmittag in Manila gegen das Familienplanungsprogramm der Regierung demonstriert. Sie folgten damit einem Aufruf der katholischen Bischofskonferenz. An der größten Demonstration seit Jahren nahmen nach Polizeiangaben 200.000 Menschen teil, Vertreter der katholischen Kirche sprachen von einer Million. Manilas Erzbischof Jaime Kardinal Sin bezeichnete bei der Messe im Rizal Park das Regierungsprogramm als „teuflisch“.

Der Kardinal rief auch zum Boykott der „Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung“ (ICPD) auf, die die UNO im September in Kairo ausrichtet. Laut Sin würde die Konferenz Abtreibung und Homosexualität fördern. Während die philippinische Regierung mehrfach betonte, daß sie gegen Abtreibung sei, warf Sin ihr vor, Verhütungsmethoden gutzuheißen, die Abtreibungen vergleichbar seien.

Die Großdemonstration ist der vorläufige Höhepunkt im zweijährigen Streit zwischen Klerus und Regierung. Der Konflikt begann, nachdem 1992 mit Fidel Ramos erstmals ein Protestant Präsident wurde. In dem einzig christlichen Land Asiens sind 85 Prozent der Bevölkerung katholisch. Im Unterschied zu seiner streng katholischen Vorgängerin Corazon Aquino, die mit Hilfe von Sin an die Macht kam und bei der Demonstration mitmarschierte, ist der Methodist Ramos den Bischöfen zu nichts verpflichtet.

Der ehemalige General hat sich vielmehr vorgenommen, das 2,48 Prozent hohe Bevölkerungswachstum – das höchste Südostasiens – bis zum Ende des Jahrzehnts auf zwei Prozent zu senken. Der Gebrauch von Verhütungsmitteln soll von 37 auf 52 Prozent steigen. Entscheidend für Ramos sind wirtschaftliche Gründe. Er hält eine niedrigere Geburtenrate für unerläßlich, um zu den wirtschaftlich boomenden Nachbarländern aufzuschließen.

Gesundheitsminister Juan Flavier legte ein Programm zur Familienplanung auf, in dessen Zentrum sexuelle Aufklärung und die Propagierung von Verhütungsmitteln stehen. Das Programm verfolgt den sogenannten „Caféteria- Ansatz“: Paare sollen frei aus einer Reihe von Verhütungsmethoden die für sie geeigneten Mittel auswählen.

Schwangerschaftsabbrüche bleiben weiterhin verboten. Während Ramos auch schon mal einer Region Kabelfernsehen verspricht, um das Volk durch Glotzen vom Geschlechtsverkehr abzuhalten, propagiert Flavier aus Gründen der Aids-Prävention den Gebrauch von Kondomen. Der ehemalige Landarzt ist nach Umfragen der beliebteste Politiker des Landes.

Der Klerus lehnt entsprechend der vatikanischen Lehre künstliche Verhütung kategorisch ab. Die Bischöfe akzeptieren nur die „natürliche Methode“ nach dem Zyklus der Frau. Geschlechtsverkehr ist verheirateten Paaren vorbehalten. Kein Wunder, daß Kirchenführer das Regierungsprogramm als „Kriegserklärung“ bezeichneten und in Hirtenbriefen dagegen Stellung bezogen. Katholisches Gesundheitspersonal wurde offen zum Boykott aufgefordert.

Mit den Vorbereitungen zur Bevölkerungskonferenz spitzte sich der Konflikt zu. Dem Vatikan gelang es nicht, die Philippinen wie einige lateinamerikanische Länder auf seine Linie einzuschwören. Die philippinischen Bischöfe werfen seitdem der Regierung vor, Opfer des „US-Imperialismus“ zu sein, weil sie sich nicht deutlich von der Position der US-Delegation distanziert habe, die für das Recht auf Abtreibung eintrat.

Die Regierung, die mehrheitlich von der Presse unterstützt wird, hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Wiederholt versuchte Ramos, die Gemüter zu beruhigen. Als er jedoch den 1. August zum „Tag der Familienplanung“ erklärte, entschlossen sich die Bischöfe, den Machtkampf offen auszutragen. Für die Regierung ist der Konflikt noch lange nicht vorbei. Im Januar 1995 wird der Papst zum zweiten Mal die Philippinen besuchen und im Mai sind Parlamentswahlen.

Im Unterschied zur katholischen Kirche unterstützen protestantische Gruppen und die zwei Millionen Mitglieder starke Sekte Iglesia ni Cristo mehrheitlich das Regierungsprogramm. Für die Frauenorganisation „Gabriela“ haben weder die Regierung noch die Bischöfe Recht, weil beide nicht das Wohl der Frauen berücksichtigten. Statt dessen würden sie sich anmaßen, für die Frauen zu entscheiden. Die kleine „Philippine Independant Church“, die das Regierunsprogramm unterstützt, stellte fest, Empfängnisverhütung sei nicht die Lösung der Armut. Sven Hansen