Zypriotische Identität gesucht

■ In Dortmund trafen sich erstmals griechische und türkische Zyprioten, um über die Zukunft Zyperns zu debattieren

Dortmund (taz) – Carl Schmitt ist auch auf Zypern zu Hause. Der Apologet einer Weimarer Diktatur salbaderte stets von der völkischen Homogenität des Staates. Das paßt auf die Situation Zyperns, die in einen türkisch-moslemischen Norden und einen griechisch-orthodoxen Süden geteilte Mittelmeerinsel. Zwanzig Jahre ist es her, daß griechische Christen in der Republik Zypern putschten. Ein türkisches Invasionsheer kam damals der moslemischen Minderheit auf der Insel zu Hilfe – und verschaffte ihr auf grausame Weise einen ethnisch gesäuberten Lebensraum, die international nicht anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“. Am Wochenende trafen sich nun erstmals in Dortmund Zyprioten beider Teile und forderten, den griechischen und den türkischen Nationalismus in den Köpfen zu bekämpfen.

Weil es auf der geteilten Insel nicht möglich ist, versammelten sich griechische und türkische Zyprioten in der Rheinisch-Westfälischen Auslandsgesellschaft in Dortmund zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Insel. Für diese Zukunft hatte der Nationalismus zwei Modelle: „Enosis“ heißt das eine und bedeutet den Anschluß an Griechenland. Die türkischen Zyprioten wollten stets „Taksim“: die Teilung in zwei ethnisch homogene Gebiete. „Enosis und Taksim sind zwei geschlagene Ideologien“, sagte Niazi Kizilyürek, ein zypriotischer Wissenschaftler und Publizist. „Taksim“, die de facto seit zwei Jahrzehnten andauernde Teilung, habe im einst prosperierenden Norden Trostlosigkeit hinterlassen. 40.000 türkische Zyprioten leben mittlerweile in der Londoner Diaspora. Weil es wirtschaftlich nicht vorangeht und weil sie sich politisch fremdbestimmt fühlen von 80.000 türkischen Siedlern aus Anatolien.

Daß die „Enosis“ keine Lösung ist, sehen mittlerweile auch viele griechische Zyprioten. Die „Enosis“-Bewegung wurde gewalttätig gegen die türkische Minderheit, griechisch-zypriotische Terroristen mordeten und vergewaltigten. „Warum sprechen wir nicht von den türkischen Opfern und Vermißten?“ fragte der griechische Zypriot Stavros Tombasos. Zusammen forderten die beiden Wissenschaftler ein zypriotisches Bewußtsein. „Ich bin Zypriote und ich möchte mit türkischen Zyprioten zusammenleben“, sagte Tombasos. Aber, so Kizilyürek, dieses politische Bewußtsein müsse sich auf einem Konzept aufbauen, das den konkreten Bürger mit seinen Rechten im Mittelpunkt habe und nicht ethnische und religiöse Kategorien. „Wir müssen endlich das Erbe der nationalistischen Politikmacherei durchbrechen und zu einer multikulturellen Demokratie kommen“, sagte Kizilyürek.

Die Experten und das Publikum reagierten bewundernd – und skeptisch. Wirtschaft und Kirche der Republik Zypern stünden gegen eine Wiedervereinigung mit der Türkischen Republik Nordzypern. Das Wirtschaftswunder, das nach der 74er-Invasion Millionen von Touristen im Süden der Insel möglich machten, dürfe nicht gefährdet werden. Die Mehrheit bilden die Zyprioten Kizilyürek und Tombasos nicht. Das gestanden sie ein, befragt nach Gleichgesinnten auf der Insel. Sie sehen eine relativ einfache politische Lösung für die Teilung – Konföderation und Rückkehrrecht der Vertriebenen. Aber es sei eine riesige Aufgabe, die Nationalismen durch eine gemeinsame zypriotische Identität zu ersetzen. Christian Füller