Skandal um Recycling-Firma

■ MitarbeiterInnen der Firma Rahardt berichten von skandalösen Arbeitsbedingungen / ÖTV prüft Vorwürfe / Amt für Arbeitsschutz will Staatsanwaltschaft einschalten Von Marco Carini

Kann es das geben, mitten in Hamburg, im Jahr 1994? Nach Berichten von Beschäftigten der Recyclingfirma „Dieter Rahardt“, die als Subunternehmer für die Wiederverwertungs-Firma Sanne, Kruse und Pape (SKP) auf deren Firmengelände an der Borsigstraße 13 Verpackungsmüll und Altpapier sortiert, herrschen in dem Betrieb frühkapitalistische Arbeitsbedingungen.

ArbeiterInnen sollen danach wie Sklaven behandelt, Arbeitsschutzvorschriften verletzt, Beschäftigte geschlagen und Steuern hinterzogen werden. Ein Arbeitnehmer berichtete der „Informationsstelle Arbeit & Gesundheit“ von diesen ungeheuerlichen Arbeitsbedingungen und nannte mehrere Zeugen für seine Beschuldigungen.

Nach den Ausführungen des Rahardt-Mitarbeiters gegenüber der Informationsstelle bezahlt die Müllsortier-Firma, in der hauptsächlich ausländische ArbeitnehmerInnen tätig sind, den ArbeitnehmerInnen die Hälfte des Jahresurlaubs nicht, Weihnachts- und Feiertagszuschläge werden einbehalten. Die Beschäftigten, so ein Rahardt-Mitarbeiter gegenüber der Informationsstelle, würden gezwungen, leere Briefbögen zu unterschreiben, auf denen später willkürlich Tageslöhne zwischen 50 und 100 Mark eingetragen werden. Die Firma würde für einige Beschäftigte weder Renten- oder Krankenversicherungs-Beiträge oder Steuern bezahlen.

Darüber hinaus, so heißt es in dem Gesprächsprotokoll der Informationsstelle, stünden die MitarbeiterInnen unter ständigem Kündigungsdruck. Wer krank wird oder sich weigert, am Wochenende zu arbeiten, werde gleich vor die Tür gesetzt. Auch die Gründung eines Betriebsrates sei von der Firmenleitung mit Kündigungsdrohungen verhindert worden. Noch schlimmer: Ausländische ArbeiterInnen würden beleidigt, bedroht und mitunter sogar geschlagen.

Doch damit nicht genug: Da Gabelstaplerfahrer ohne Fahrerlizenz eingesetzt würden, und an den Sortierbändern sieben ArbeiterInnen die Arbeit leisten müssen, die eigentlich für 20 Personen vorgesehen ist, käme es öfter zu Unfällen. Doch die MitarbeiterInnen würden nach einem Arbeitsunfall nicht einmal für den Rest des Arbeitstages freigestellt.

Und wer sich etwa beim Sortieren der Wertstoffe die Hände mit Metall- oder Glassplittern verletzt, dem werde eine ärztliche Behandlung versagt. Da die MitarbeiterInnen in den staubigen Arbeitshallen ohne Atemmasken arbeiten müßten, die vorhandenen Lüftungsanlagen und Heizungen aber nie in Betrieb seien, würden viele ArbeitnehmerInnen über Atemwegsbeschwerden, Kreislaufstörungen und Hautschäden klagen.

Inhaber Dieter Rahardt bestreitet die Anschuldigungen des ehemaligen Mitarbeiters vehement: „Diese Vorwürfe sind böswillig und an den Haaren herbeigezogen“. Rahardt sieht darin „einen Rachefeldzug der Arbeiter, die ich entlassen mußte“. Denn die Verpackungsmüllsortierung wurde am Montag, so Rahardt, für „etwa ein Jahr geschlossen, weil wir eine neue Sortieranlage installieren“. 17 Beschäftigte landeten auf der Straße.

Die Informationsstelle „Arbeit & Gesundheit“ hat inzwischen das Amt für Arbeitsschutz eingeschaltet. Dem aber ist das Recycling-Unternehmen längst bekannt. Amts-Chef Mathias Frommann: „Wir mußten wiederholt Auflagen machen“. Frommann weiter: „Wir haben bei unseren Besichtigungen festgestellt, daß die Arbeiter im Winter bei einem Grad Celsius Verpackungen sortieren mußten und es vor Keimen und Sporen nur so wimmelte, weil eine Abzugsanlage fehlte“.

Diese Probleme wurden aber nach Kenntnis des Arbeitsschützers „inzwischen behoben“, indem eine neue Heizung und eine Lüftung nach Auflagen des Amtes montiert wurde. Daß es bei dem Recycler vermehrt zu nicht gemeldeten Arbeitsunfällen gekommen sein soll, ist dem Amtsleiter bislang „unbekannt“ gewesen. Frommann: „Wir werden dem nachgehen“.

Auch für die Gewerkschaft ÖTV sind die Vorwürfe gegen den Subunternehmer nichts Neues. Dort heißt es: „Wir sind bereits am Ball“. Das Amt für Arbeitsschutz will darüber hinaus die schriftlich fixierten Vorwürfe des ehemaligen Rahardt-Mitarbeiters „in den nächsten Tagen an die Staatsanwaltschaft weiterleiten“. Frommann: „Wenn es solche konkreten Hinweise auf Rechtsverletzungen gibt, müssen die Staatsanwälte ermitteln“. Ob die Firma Rahardt nach Abschluß dieser Ermittlungen im kommenden Sommer ihren Betrieb wieder aufnehmen kann, steht wohl noch in den Sternen.