„Schlachten Sie Ihre Kinder?“

■ Öko-Schlachter im Viertel von radikalen TierfreundInnen und PflanzenesserInnen bedroht / Zwischen „Öko-Sau“ und „Tiermörder“ / „Die sollen mal Fleisch essen“

„Fleisch ist Mord“ - solche und ähnliche nicht hinreichend durchdachte Sätze liest der Öko-Schlachter Martin Groth vom Sielwall morgens auf seiner Schaufensterscheibe. Zur Unterstreichung des Anliegens sog. „Fruitarians“ aus einer angeblichen „Vegan“-Bewegung ist auch gerne mal sein Anhänger demoliert oder die Windschutzscheibe seines Pkw zerdeppert. Neuerdings eskaliert das radikal-vegetarische Treiben, und man übermittelt telefonisch anonyme Morddrohungen: „Schlachter, stirb!“. Jetzt reicht es Herrn Groth.

Groth (29) entspricht rein äußerlich in keiner Weise dem Schlachter-Klischee: Er ist lang und schmal gebaut, seine Hände verbreiten keinen Schrecken, seine Augen sind riesig und blau und haben leicht etwas Erschrecktes. Schon auf der Meisterschule ärgerte er sich über die „breiten, lauten, unsensiblen Metzger“. Fast hätte er die Branche gewechselt - dann rutschte er vor zwei Jahren in die „Öko-Schiene“. Jetzt schlachtet er schonend, und man neigt dazu, ihm zu glauben, wenn er sagt: „Beim Schlachten leide ich mehr als die Tiere.“

„Warum ich?“ Groth versteht die Welt nicht mehr. „Ich bin doch selbst ein kleiner Autonomer.“ Er hat es schon schwer genug, ist er doch aufgrund des Erfolgs seines „Öko“-Labels unter Kollegen ein geschnittener Außenseiter. Anfangs gab es sogar körperliche Übergriffe und Beschimpfungen: „Öko-Sau!“. Wer aber hinter den aktuellen Aktionen steht? „Keine Ahnung“, sagt er, „die zeigen sich ja nicht.“ Mit der Polizei hat er schlechte Erfahrungen gemacht - „die wollten noch nicht mal eine Anzeige aufnehmen.“ Im zuständigen Revier ist tatsächlich nichts bekannt. Und auch die umliegenden (konventionellen) Schlachter wurden bislang von den Tierlebensschützern verschont.

Eigentlich glaubt Martin Groth ja an das Gute im Menschen. Darum hat er noch keine Rolläden, und darum hängt er jetzt immer ein Schild auf: „WANTED - Sehr geehrter Lehrling der Grafiti-Künste,“ geht das los und lädt zum Dialog auf der Pappe ein. Die Sprüche sind dadurch zwar nicht harmloser geworden, dafür aber muß nicht immer wieder die Fassade gestrichen oder das Glas abgekratzt werden. „Fleisch fressen ist Kannibalismus und Käse fressen Folter“ erfährt Groth jetzt, und „Widerliche HeuchlerInnen (sic!), oder schlachten Sie Ihre ,glücklichen' Kinder?“

Muß man die vorbewußten Artikulationsversuche ernstnehmen? Seit den Telefonanrufen und neuerlichen Versuchen, das Schaufenster zu zerschlagen, ist Groth nicht mehr so locker und denkt über die Installation einer Videokamera nach. Auf der Straße schaut er sich öfter um. „Vielleicht,“ sinniert er, „haben die ja auch nur Frust. Die sollen mal Fleisch essen - da werden sie ausgeglichener.“ BuS