Gericht verbietet Telefon-Speicherung

■ Bremer Strafverteidiger und Daten-Experte machen bundesweits Rechtsgeschichte

„Die Speicherung der Rufnummern (...) hat keine gesetzliche Grundlage und ist deshalb verfassungswidrig“, so eindeutig und klar hat das Bremer Oberverwaltungsgericht die Rechtsposition der Telekom abgelehnt, die Telefonnummern von Gesprächen aus „technischen Gründen“ speichern zu dürfen. Möglich ist dies bei allen digital oder per ISDN-Anschluß vermittelten Gesprächen, Von grundsätzlicher Bedeutung ist das Urteil auch für Funk-Telefone: In Zukunft muß die Telekom schon nach vier Tagen die letzten drei Ziffern der angerufenen Telefonnummer löschen und die gespeicherten Daten damit „anonymisieren“. Nur einen kleinen Schritt wollten der ISDN- und Datenschutz-Experte Prof. Herbert Kubicek weitergehen, der die Klage zweier Bremer Anwälte unterstützt: Die letzten vier Ziffern sollten gelöscht werden. Denn mit der jetzt erreichten Regelung sind Anrufe bei der Telefonseelsorge dennoch identifizierbar: Nur da würde auf der Rechnung „11xxx“ stehen.

Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung. In dem gesamten Verfahren, das seit 1990 läuft (vgl. Bericht Seite 4), hatte die Telekom die Auffassung vertreten, daß die Speicherung der Telefonnummern aus technischen Gründen erforderlich. Das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Grundgesetz), so die Schlußfolgerung, kann nicht berührt sein. Dieser Rechtsauffassung, die technische Sachzwänge über das Grundgesetz stellt, hatte sich das Bremer Verwaltungsgericht 1991 noch angeschlossen. Das Oberverwaltungsgericht kam aber zu einer anderen Wertung: Wenn der parlamentarische Gesetzgeber „die Entscheidung über den Technikeinsatz selbst verantworten“ muß, dann schließt dies ein, die Eingriffe ins Grundrecht, die damit verbunden sind, deutlich auszusprechen und zu definieren. Anders gesagt: Die neue Technologie, die die Datenspeicherung ermöglicht, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern beschlossen worden. Deshalb kann der Eingriff in das Fernmelderecht nicht als Folge eines Sachzwanges verstanden werden. Bis zu einer gesetzlichen Regelung bleibt die Speicherung der Daten verfassungswidrig.

Nur für eine Übergangszeit darf die Telekom, so beschieden die OVG-Richter, für die Rechnungserstellung vier Tage lang die volle Nummer speichern, mehr nicht. Der Sprecher der Telekom konnte gestern noch nicht sagen, ob die Firma das Urteil anerkennt oder in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht gehen wird. Erst am 11.September würde es rechtskräftig.

Schon im Vorfeld des erwarteten Urteilspruches hatte die Telekom bundesweit Konsequenzen gezogen und entgegen ihrer eigenen Rechtsposition nur noch die um die letzten drei Ziffern verkürzten Nummern gespeichert. Unmittelbare Konsequenzen hat das Urteil deshalb jetzt nicht. Für die Zukunft der Telekom ist es um so bedeutsamer. Aus der Zeit, als das Telefonieren hoheitlich von der staatlichen Post verwaltet wurde, besteht eine in der Privatwirtschaft unübliche Beweislast: Im Konfliktfall muß nicht die Post den Nachweis führen, daß der Kunde telefoniert hat, sondern der muß plausibel machen, daß er nicht so viel telefoniert hat. In der Privatwirtschaft beim Streit um gewöhnliche Rechnungen ist es gewöhnlich andersherum. Ohne gespeicherte Nummern, so das Argument der Telekom, keine Chance beim Gebührenstreit.

Das sei vorgeschoben, meint dagegen Kubicek. Das Datenschutz-Problem stelle sich wegen der geplanten Erweiterung der ISDN-Nutzung für Bankverkehr und für differenzierte Dienste, wie sie derzeit mit den „190er Nummern“ in ersten Ansätzen existieren. Immer mehr Kommunikation werde der Mensch über Telefon abwickeln - bisher ohne Datenschutz. K.W.