Banken strippen, Staatsanwälte schauen zu

■ Frankfurter Börsenaufsicht wirft 27 Banken illegale Aktientransaktionen vor

Frankfurt/Main (taz) – Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Bislang wurden an der Wertpapierbörse zu Frankfurt am Main nur halbseidene Makler als „Dividendenstripper“ enttarnt und von der Börsenaufsicht abgemahnt. Nun sollen sich – nach Erkenntnissen des hessischen Wirtschaftsministeriums – auch zwei Großbanken an den illegalen Aktienverschiebungen beteiligt haben. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen“ will Hessens Wirtschaftsminister Lothar Klemm (SPD) die Namen nicht nennen. Der Bericht der Börsenaufsicht, aus dem der Wirtschaftsinformationsdienst Czerwensky am Wochenende zitiert hatte, liege der Staatsanwaltschaft Frankfurt allerdings seit Ende 1992 vor.

Die vom ehemaligen hessischen Wirtschaftsminister Ernst Welteke (SPD) mit mehr Interventionsmöglichkeiten ausgestattete Börsenaufsicht kam danach fünf Kurs- und 14 Freimaklern sowie exakt 27 Banken auf die Spur, die den Fiskus alleine 1991 um insgesamt 500 Millionen Mark betrogen haben sollen. Dabei fungierten die Banken als Drahtzieher der Transaktionen, die in Börsenkreisen als „Dividendenstripping“ bezeichnet werden: Deutsche Banken und deutsche Börsenmakler kauften am Tag der Dividendenausschüttung Aktienpakete von ausländischen Partnern – und erhielten dafür (neben der Dividende für die Aktien) eine Gutschrift über die von den Finanzämtern vorab einbehaltene Körperschafts- und Kapitalertragsteuer, die den ausländischen Aktienbesitzern nicht zugestanden worden wäre. Nach der Ausschüttung der Dividenden verkauften dann die deutschen Käufer ihre Aktienpakete wieder an ihre ausländischen Partner, mit denen sie sich Dividende und Steuergutschrift teilten. Nach dem Bericht der Börsenaufsicht sollen die zwei Großbanken an gut der Hälfte dieser Transaktionen beteiligt gewesen sein. Unter den 25 anderen Banken, die der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden, befinde sich auch eine Genossenschaftsbank – aber keine Sparkasse und keine Landeszentralbank. Noch ist offen, ob die Staatsanwaltschaft ein förmliches Ermittlungsverfahren einleiten wird. In Maklerkreisen glaubt man offenbar fest daran, daß weder die Politiker in Wiesbaden noch die Staatsanwälte bereit sind, sich ernsthaft mit den Großbanken anzulegen. Klaus-Peter Klingelschmitt