: Brüsseler Subventionssalat
■ Bald auch deutsche Rundfunkgebühren auf dem europäischen Prüfstand?
Vor sechs Monaten erst hat das Bundesverfassungsgericht das System der Rundfunkgebühren bestätigt, jetzt droht den öffentlich- rechtlichen Sendern Gefahr aus Brüssel. Die EU-Kommission prüft drei Eingaben von französischen, spanischen und portugiesischen Privatsendern. Sie wollen jede Subventionierung ihrer öffentlichen Konkurrenten aus Steuertöpfen verbieten lassen. Begründung: das seien unzulässige wettbewerbsverzerrende Beihilfen. Sollten die Beschwerden positiv entschieden werden, könnten die deutschen Privatsender nachziehen und versuchen, in Brüssel auch die Rundfunkgebühren in Deutschland zu kippen.
Das allerdings stünde der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frontal entgegen. Im Februar haben die Karlsruher Richter öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Gebührenpflicht für unverzichtbar erklärt: „Da die derzeitigen Defizite des privaten Rundfunks nur hingenommen werden können, soweit und solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk in vollem Umfang funktionstüchtig bleibt, ist es auch weiterhin gerechtfertigt, die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus zu knüpfen, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgeräts begründet wird“, schrieben sie in ihr Urteil und gestatteten den Sendern außerdem weitere Einnahmen aus Werbung.
In Brüssel berufen sich ARD und ZDF denn auch auf nationales Recht, wonach im Rundfunkbereich grundsätzlich die Bundesländer das Sagen haben: „Auch nach dem Vertrag von Maastricht ist die EU nur ersatzweise zuständig“, sagt die ARD-Vertreterin in Brüssel, Verena Wiedemann.
Außerdem müsse die Kommission beachten, daß die Dienstleistung Rundfunk einen starken kulturellen Charakter habe. Die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebene staatsfreie Zusammensetzung der Gebührenkommission sichere außerdem die Distanz zu den Regierenden. Sollte die Kommission dies anders sehen, könnte ein erneutes Verfahren in Karlsruhe die Folge sein.
Der für die audiovisuelle Politik zuständige portugiesische EU- Kommissar Joao de Deus Pinheiro bemüht sich derweil, die Wogen zu glätten. Eigentlich ein Anhänger der Privatmedien, betont Pinheiro neuerdings, die Kommission mache keinen Unterschied zwischen Privaten und Öffentlichen, sie fördere mit ihrer audiovisuellen Politik vielmehr den Binnenmarkt als Ganzes. Die Pinheiro unterstehende Generaldirektion 10 versichert ebenfalls Zurückhaltung: „Sein Mediensystem bleibt weiterhin jedem Mitgliedsstaat selbst überlassen“, sagt die für Fernsehfragen zuständige EU-Juristin Sabine von Zanthier.
Entsprechend zurückhaltend ist jedenfalls bisher auch die offizielle Reaktion der Kommission auf die drei Beschwerden. Um einen Überblick über die sehr unterschiedlichen Rundfunksysteme in Europa zu bekommen, hat die Kommission zunächst eine Studie über die Finanzierung der Systeme in Auftrag gegeben.
Selbst wenn danach die Beschwerden positiv entschieden würden, muß dieses nach Kommissionsangaben nicht unbedingt Auswirkungen auf die deutsche Rundfunkordnung haben. Zwar könnten die Gebühren genauso wie direkte staatliche Zuschüsse als Subventionen oder Beihilfen abgefaßt werden, dies führe aber nicht zwingend zu einem Verbot. Entscheidend sei hingegen eine saubere Trennung zwischen Staat und Rundfunksendern und eine wirksame Finanzkontrolle innerhalb der Anstalten.
Bezeichnenderweise haben sich die deutschen Privatsender den Beschwerden von Franzosen, Portugiesen und Spaniern nicht angeschlossen. Vielleicht haben die auch keinen Grund zur Klage, mutmaßt da ein Kommissionsbeamter, der selbstverständlich nicht namentlich zitiert werden möchte. Julia von Herschberg, Brüssel
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