■ Dr. Seltsam: Der Stoff, aus dem die Bombe ist
Etwa 420 zivile Atomkraftwerke sind weltweit in Betrieb. Sie produzieren neben Strom auch Tonnen von reinem Plutonium. Der tödliche Stoff entsteht beim Zerfall des spaltbaren Urans.
Über die zivile Nutzung kann die Internationale Atomenergiebehörde Buch führen – militärische Anlagen jedoch sind ihr verschlossen. Tatsächlich aber ist der Unterschied zwischen ziviler und militärischer Produktion von Plutonium gering. Es genügt, Atomreaktoren so einzustellen und zu betreiben, daß möglichst viele, zunächst stabile Uranatome im atomaren Brennstoff möglichst schnell einen zusätzlichen Kernbestandteil einfangen, der in der energiespendenden Kettenreaktion des zerfallenden Urans frei geworden ist. Die Überlast wird das Uranatom zum neuen Element mit der Atomzahl 239 verwandeln – zu Plutonium also. Das läßt sich zwar weit schwerer zur atomaren Explosion bringen als Uran, ist aber viel billiger herzustellen.
So besteht an Plutonium kein Mangel. Im Gegenteil, niemand weiß heute, wohin mit dem Abfall allein aus der zivilen Atomwirtschaft und schon gar nicht, wohin mit den Resten der abgerüsteten Atomsprengsätze.
Das hochgiftige Plutonium tötet auch ohne Bombe. Geringste Mengen führen zu tödlichen Muskellähmungen, dazu kommt die radioaktive Strahlung, die zur sogenannten Alpha- Klasse gehört. Ein Glück für Schmuggler. Der Bleikasten, in dem sie das Plutonium offenbar auch durch Flughafenkontrollen schleusen können, strahlt nicht nach außen. Alphastrahlen bestehen aus so schweren Kernbestandteilen, daß sie kaum das Nachbaratom erreichen. Wenn sie das doch schaffen, ist der Schaden allerdings verheerend – sie können, wenn sie wieder auf Plutoniumkerne treffen, die explosionsartige Kettenreaktion einer Atombombe auslösen.
Zum Bau der Bombe aber ist mehr nötig als billiges Plutonium. Es gehört dazu die komplette Infrastruktur einer hochtechnisierten Gesellschaft. Die Bombe ist eine Maschine von extremer Präzision. Ein paar Kilo Plutonium müssen mit einer absolut symmetrischen, kugelförmigen Druckwelle schlagartig zusammengepreßt werden. Nur so läßt sich die Kettenreaktion auslösen – und ob das immer gelingt, ist so sicher nicht. Die Atommächte müssen bis heute ihre Sprengsätze immer wieder testen. Wer die Bombe bauen will, müßte das auch. Niklaus Hablützel
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