Warum mußte das Plutonium in die Lufthansa?

■ Die Schmuggelfunde in Deutschland – aus politischem Interesse provoziert?

Der Berater des russischen Präsidenten Jelzin, Wladimir Klimenko, formulierte die Zweifel an Sinn und Herkunft der spektakulären Plutoniumfunde in der Bundesrepublik am deutlichsten. Es stellen sich tatsächlich eine ganze Reihe von Fragen. Als potentielle Käufer des Bombenstoffes werden in den letzten drei Jahren von den diversen Sicherheitsbehörden immer wieder drei Staaten genannt: Iran, Irak und Lybien. Im Gegensatz zu anderen nuklearen Schwellenländern, die eine eigene Logistik und Technologie zum Bau von Atombomben aufbauen oder aufgebaut haben, wird diesen Ländern von den westlichen Geheimdiensten unterstellt, daß sie sich auf dem internationalen Schiebermarkt mit den für den Bombenbau nötigen Utensilien eindecken wollen.

Merkwürdig mutet an dieser Logik an, daß diese Geschäfte, wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, überwiegend über das Territorium der Bundesrepublik abgewickelt werden sollen. Wesentlich plausibler wäre, solche Geschäfte über die südlichen Staaten der GUS, Aserbaidschan etwa, abzuwickeln. Der Umweg über die Bundesrepublik mit ihrem hochentwickelten Beobachtungs- und Fahndungsapparat will so recht keinen Sinn machen. Der Schlüssel dafür, daß sich die Bundesrepublik nun zur Drehscheibe des Atomschmuggels entwickeln soll, liegt offenbar im Einsatz von verdeckten Ermittlern, wie in den beiden letzten Fällen aufgeflogener Schmuggelversuche geschehen. Die Herren Kriminaler traten offenbar als Scheinaufkäufer auf. Sie lockten die Abgesandten der russischen Mafia – die im Verbund mit ehemaligen Geheimdienstlern und perspektivlosen Atomexperten für den Atomschmuggel verantwortlich zeichnen sollen – in die Bundesrepublik zur spektakulären Festnahme. Der Tip, der beispielsweise zur Sicherstellung der rund 300 Gramm Plutonium vergangene Woche in München führte, kam aus Pullach bei München, vom dort residierenden Bundesnachrichtendienst. Nach dem Fall der Mauer wurde 1991 im BND in der Abteilung 1 das Referat „Proliferation“ eingerichtet. In diesem Referat, sagen Kenner des BND, werden überwiegend sogenannte menschliche Quellen geführt.

Im Zusammenhang mit vermuteten und aufgedeckten Atomschiebereien, heißt es, seien „immer V-Leute des Geheimdienstes am Objekt“. Notwendigerweise müßte der BND die von ihm erlangten Hinweise nicht an die Beamten des Bundeskriminalamtes oder an die der Landeskriminalämter weitergeben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes hat die Bundesrepublik wie andere Staaten auch eine Vielzahl multi- und bilateraler Vereinbarungen getroffen, mit denen der mögliche Schmuggel von Atomtechnologie und Atombombeninventar unterbunden werden soll. Kooperationsvereinbarungen wurden auch zwischen den Geheimdiensten der Länder abgemacht.

So gesehen macht der gestrige Einwurf von Jelzin-Berater Klimenko durchaus Sinn. Hätten die deutschen Behörden ihre russischen Kollegen verständigt, die gefährliche Luftfracht wäre nicht notwendig gewesen, der Schmuggel hätte ebenso unterbunden und die daran Beteiligten verhaftet werden können. Dann allerdings hätte Bayerns Innenminister Beckstein keine Gelegenheit erhalten, werbewirksam den Fahndungserfolg zu feiern – und die Gelegenheit zu nutzen, eine alte Klage zu führen: daß der Verfassungsschutz hier keine Möglichkeit habe, sich an der Aufdeckung solcher Schweinereien zu beteiligen. Und dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Gerster, wäre versagt geblieben, ein Fünf- Punkte-Programm zur Bekämpfung des illegalen Handels mit radioaktivem Material vorzustellen. Wie Gerster fordert, muß nun die internationale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste verbessert werden. Das setzt für ihn die Verabschiedung des „Verbrechensbekämpfungsgesetzes“ voraus. Dieses Gesetzespaket wiederum ist nach seiner Verabschiedung im Bundestag am Widerstand der Sozialdemokraten im Bundesrat gescheitert.

Wolfgang Gast