Pastose Dramatik

■ Idyllen der Gebrauchskunst: „NSU, Persil, Constanze“

Im Bildvordergrund blickt eine langhaarige Schönheit nachdenklich drein wie einst das schlechte Gewissen der Hausfrau in der Lenorreklame, im Hintergrund spielt dieselbe als Leichtherzige im Sommerwind mit dem Haar ihres Geliebten: „Mädchen mit leichten Herzen“ hieß die Story in einer Programmzeitschrift, die Heinz Spohr 1993 illustrierte.

In den 50er Jahren begann Spohr nach seinem Studium an der Hamburger Landeskunstschule, der heutigen HfbK, zunächst als Cartoonist, wechselte bald ins Werbefach und schuf für Persil frisch-fröhlich-befreit lachende Hausfrauen oder idyllische Ausflugsszenen, die die Vorteile des NSU-Prinz-Automobils im werbenden Bild zeigten. Für den Glimmstengel namens Eckstein entwarf er den kernigen Typ, der sich noch an einer deutschen Zigarette festhält. In den 60er und 70er Jahren dann gestaltete er für die Zeitschrift Constanze gepflegt-dramatische Genre-Bilder zu moderner Trivialliteratur, die unter so überzeugenden Titeln wie „Es gibt die Liebe“, Geliebtes Scheusal“ oder „Schließ' nicht die Augen, wenn du küßt“ firmierte. Aber auch für den Erstabdruck von Truman Capotes Tatsachenroman „Kaltblütig“ im Stern fand er die richtigen Bilder – pastellen oder pastos.

Zum 65. Geburtstag würdigt das Museum für Kunst und Gewerbe mit der Ausstellung NSU, Persil, Constanze das Lebenswerk des Gebrauchsgrafikers und Illustrators Heinz Spohr und gibt damit auch einen kleinen kulturgeschichtlichen Rückblick auf die Kinderjahre der Bundesrepublik. Wie ein Pensionär wirkt der 65jährige Heinz Spohr nicht, geradeso als hätte etwas von der von ihm so oft beschworenen heilen Welt auf seine Lebensenergie abgefärbt. Seit 1973 hat er sich zudem als Kunstlehrer in Lüneburg fit gehalten. Seine Zeichenkunst diente als Zwischenstufe zwischen der Fotografie und der Druckvorlage, zunächst in schwarzweiß und später erst, als der Farb-Offsetdruck in den 60er Jahren größere Verbreitung fand, in Farbe. Ende der 60er Jahre war die Drucktechnik so weit gediehen, daß seine Zeichnungen – aus technischen Gründen – überflüssig wurden. Vorbilder für beziehungstechnische Standardsituationen wie Abschied oder Happyend fand er in Stars wie Clark Gable, Brigitte Bardot oder Audrey Hepburn, obwohl er, wie er gesteht, „gar kein großer Kinogänger“ gewesen sei. Dafür saß dann seine Familie schon mal Modell für Körperhaltungen, wenn er ein Polaroid als Vorlage für eine Zeichnung brauchte. Die nun ausgestellten Werke hat Spohr dem Museum gestiftet, das das Schnäppchen für ihre Gebrauchsgrafiksammlung, einer seit der Gründung des Museums gepflegten Abteilung, dankbar annahm. Diese Kunst, deren Sujets auf den ersten Blick erkennbar sein sollen, die verkauft, unterhält und vielen gefällt dürfte auch dem Musenhaus etliche Besucher zuführen. jkn

Museum für Kunst und Gewerbe, bis 2. Oktober, Katalog 15 Mark