„Fahrradpolitik findet nicht statt“

■ Scharfe Kritik an Baubehörde / Patriotische Gesellschaft, ADFC und GAL: „Miserable Politik“ / Endlich Gefahrzonen beseitigen Von Sannah Koch

Täglich auf Hamburgs Straßen radfahren und trotzdem überleben – eine Befähigung, die sich derzeit nur wenige zutrauen. Und trotzdem unternimmt der Hamburger Senat nichts, um die gefährdete Spezies der VelozipedistInnen zu schützen und zu vermehren – darin waren sich gestern die Grünen, der Allgemeine Deutsche Fahrad-Club (ADFC), der Dachverband Hamburger Kurierfahrer und die Patriotische Gesellschaft einig.

„Eine Fahrradpolitik findet in Hamburgs City nicht statt“, konstatierte vernichtend Ulrich Lorenz-Meyer von der Patriotischen Gesellschaft. Dabei hatte in der Vergangenheit weder Mangel an vernünftigen Konzepten noch an vollmundigen Politiker-Ankündigungen geherrscht.

Schon vor zwei Jahren hatte die Patriotische Gesellschaft einen Sieben-Punkte-Katalog für eine fahrradfreundliche Innenstadt vorgelegt. Tempo 30 innerhalb des Wallrings, Einbahnstraßen für RadlerInnen in beide Richtungen, Radstreifen auf Hauptverkehrsstraßen und ein verständliches Verkehrsleitsystem – alles Maßnahmen, die „kurzfristig und kostengünstig umzusetzen sind“, so Lorenz-Meyer. Geschehen ist nichts. Ähnliches widerfuhr dem Fahrad-Beirat der Baubehörde: Im vorigen Jahr hatte sich Bausenator Eugen Wagner für ein Beiratskonzept bejubeln lassen. Neue Fahrbahn-Radspuren, Aufstellräume an Ampeln und die Freigabe von Einbahnstraßen in beiden Richtungen, all dies wurde in Zusammenarbeit mit dem ADFC erarbeitet und – kurz vor der Bürgerschaftswahl – Hamburgs RadfahrerInnen von Wagner versprochen.

„Übrig geblieben ist ein neuer Fahrradstreifen in der Hochallee“, beklagt GALier Martin Schmidt. Aber auch wenn die Baubehörde sich endlich an die Umsetzung begeben würde, behebe dies nicht bestehende Gefahrzonen. Derer sich die Grünen jetzt auf dem Antragsweg annehmen wollen. Ein Beispiel: die Brücke des Grauens, besser bekannt als Sternbrücke. Wer täglich auf der Max-Brauer-Allee an dieser Stelle die Stresemannstraße überquert, weiß, was Überlebenstraining ist. Sie sei zwar eine der unfallträchtigsten Kreuzungen Hamburgs, hatte der Senat eingeräumt, aber ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und deshalb...

Der von der GAL vorgeschlagene verbreiterte Radfahrstreifen vor der Ampel sowie eine Radfahrerschleuse zwischen Geradeaus- und Rechtsabbiegerspur beweisen jedoch, wie einfach die Sicherheit für Velo-FahrerInnen erhöht werden kann (siehe Skizze). Diese müßten dann auch nicht länger gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Denn derzeit ist die einzige Möglichkeit, nicht an einem Brückenpfeiler zerquetscht zu werden, die rote Ampel zu ignorieren, sich dicht an die Kreuzung zu stellen, um dann bei Grün einen Sicherheitsvorsprung zu haben.

Solcherart Verhalten wird RadlerInnen häufig als Rüpelei angelastet. Laut Martin Schmidt belegt eine im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenverkehrsordnung erarbeitete Studie jedoch, daß diese Übertritte zumeist der Sicherheit der RadlerInnen dienten, und insofern „logisch und vernünftig“ sind. Auch Ulrich Lorenz-Meyer betonte gestern, daß Eltern ihre Kinder zu Regel-Verstößen auffordern müssen: „Ich habe meine Kinder immer auf dem Bürgersteig zur Schule radeln lassen, alles andere ist viel zu gefährlich.“