■ Autos nach Schilda!
: Wie im Märchen

In Berlin geht es zu wie in Schilda, dessen Bürger Licht mit Eimern schöpfen wollten: In vier Jahren soll jenen Autos die Fahrt in der Innenstadt verboten werden, die es kaum noch geben wird – Kraftfahrzeuge ohne Katalysator. In Schilda wurde wenigstens sofort gehandelt, nachdem die Städtebauer bemerkt hatten, daß sie in ihren Häusern die Fenster vergessen hatten. In der deutschen Hauptstadt übt man sich dagegen im Aussitzen. Seit Jahren steigt die Ozonkonzentration an heißen Sommertagen auf gesundheitlich bedenkliche Werte, sterben jährlich 350 Berliner an den Langzeitfolgen von Verkehrslärm und Autoabgasen. Das regt den Senat zum Denken an – über mögliches Handeln in ferner Zukunft.

Dabei hatte alles so gut angefangen: Gewöhnlich hinterlassen Vorgängerregierungen Leichen im Keller – doch Rot-Grün schenkte dem Umweltsenator ein damals für die Bundesrepublik einzigartiges Gutachten über die Lärm- und Schadstoffauswirkungen des Autoverkehrs. Ein Vorsprung, den weder Umweltsenator Hassemer und Verkehrssenator Haase noch die Umwelt- und Verkehrspolitiker der SPD zu nutzen wußten. Jetzt hat Frankfurt am Main die Hauptstadt überholt: Wenn auch dort im kommenden Jahr die Stadt noch nicht flächendeckend verkehrsberuhigt wird, startet der dortige Baustadtrat gemeinsam mit dem Umweltbundesamt immerhin einen Großversuch. Mehrere Wochen lang soll mit Tempolimits, autofeindlichen Ampelschaltungen und Straßensperren der Erfolg der einzelnen Maßnahmen für die Luftreinhaltung getestet werden – um entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Berliner Politiker blättern lieber in Märchen. Ach, würden sie sie doch wenigstens verstehen. Dirk Wildt

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