Sein Problem: "Kein Backing, nur Banker"

■ Staats- und Allerweltsmann Jürgen W. Möllemann will Regent auf Schalke werden, weil er bereits Schützenkönig ist

Morgen abend in einem bekannten Gelsenkirchener Vorort: die Gladbacher Borussia („Welch ein Tag“) wird Fuck-Finger Effenberg präsentieren, der FC Schalke den in den lokalen Schlagzeilen überstrapazierten heimgekehrten Sohn Olaf Thon.

Die Bundesliga ist wieder da, und Schalke startet im ausverkauften Parkstadion. Das Vorspiel tragen sie auf einem Nebenschauplatz aus: Im eingeschossigen Flachdach-Waschbeton der Geschäftsstelle wird Rasenschach am grünen Tisch geübt. Dort spielen sie seit Wochen, und sie haben noch einen Monat Zeit. Am 12. September will sich Schalke einen neuen Präsidenten geben.

Niemand kann derzeit wissen, ob die Bilanzen weit mehr als der Lederball die neue Spielzeit in Schalke diktieren. Ganz offen ist dieses Ende, und das Schalker Personal-Schach wurde mit einem Begräbnis eröffnet. Bernd Tönnies, ein Fleischfabrikant aus dem Ostwestfälischen, wurde am 7. Februar zum Präsidenten gemacht. In der Nacht zum 1. Juli verstarb er, dialyseabhängig und nach einer Nierentransplantation, an den Folgen der Operation. Der Schalker Nachruf für Bernd Tönnies fiel auffallend verhalten aus.

Bild zog flugs den abgehalfterten Vorgänger Günter Eichberg aus dem Sommerloch seiner finanziellen Pleite. Der einstmals blau- weiße Sonnenkönig ließ verlauten, er wolle kommen, wenn man ihn nur rufen würde. Aber es ruft niemand. Auch Jürgen W. Möllemann will gerufen werden. Die Mitglieder forderten ihn geradezu stürmisch und in Scharen zur Kandidatur auf, streut der Ex-Minister und beweist sich ganz freidemokratisch in der Eindeutigkeit des Ich-würde-schon-Wol len über ein Schau'n-mer-Mal bis hin zum klaren Jein.

Die tiefenpsychologische Wahrheit ist: Riesenstaatsmann Mümmelmann will König von Schalke werden! Denn er ist bereits Regent der Schützenbrüderschaft Gievenbeck e.V.

Dem passionierten Fallschirmspringer gelang am Mittag des 19. Juni mit dem 361. Schuß der Traumtreffer. Mag ja sein, daß da wer heimlich am Draht gezogen hat. Aber danach fragte in Münster-Gievenbeck, der Heimat des weltläufigen Möllemann, niemand. Der Bundeswirtschaftsminister a.D. war Schützenkönig. Der abgekinkelte Mölli war wieder wer, und er ist beileibe nicht nur Schützenbruder in Münster-Gievenbeck.

Möllemann ist vor allem, und dies schon lang, Vorsitzender des Verwaltungsrates beim FC Schalke. Und er hat Bernd Tönnies geholt, den niemand kannte. Aber Möllemann kannte Tönnies aus alter Ministrantenzeit; da jetteten beide zur Förderung der deutsch- russischen Wirtschaftsbeziehungen in den gewendeten Osten – und sie unterhielten sich viel über Fußball. Und Fußball, das ist Schalke. So kam Bern Tönnies auf den Thron, mit Millionen im Rücken, und Schalke 04 war reif für den Konkurs.

Möllemann, der Möchtegern- Präsident, hat vor der Neuwahl nur sich und keine Mannschaft. Ein Fehler der Vergangenheit hängt ihm nach. Er hat die Schattenwirtschaft des Günter Eichberg als „Aufsichtsratsvorsitzender“ nicht energisch genug kontrolliert. Das haben die Mitglieder begriffen, und es dürften nicht soviele sein, die ihn im platten Münsterland so stürmisch ins Amt drängeln wollen.

Die Gegenkandidaten wirken da eher belustigt als beunruhigt. Möllemann habe kein Backing, sondern nur Banker, dringt aus dem Dunstkreis des Alt-Internationalen Helmut Kremers und des altgedienten Schalker Mitglieds Volker Stuckmann. Beide haben weit bessere Cahcnen als Möllemann.

Rechtsanwalt Stuckmann, der seit langen Jahren als Funktionär zwischen Präsidium und Verwaltungsrat pendelt, hat alle Franktionen und Seilschaften überlebt. Favorit Stuckmann gilt unter Kritikern deswegen als der größte Wendehals der alten Bundesländer. Sein Vorteil, wie ein Alt-Schalker trefflich sieht, sei ganz eindeutig: „Der Stuckmann greift keinem an die Eier. Was will dann der Möllemann?“ Ernst Thoman